Von Alexander Fröhlich: Schüsse auf offener Straße und Todesdrohungen
Prozess in Neuruppin gibt Einblicke in den seit 2006 in Berlin und Brandenburg tobenden Rockerkrieg
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Neuruppin – Schüsse, Angriffe mit Macheten und Messern auf offener Straße sowie Todesdrohungen – Einblicke in den seit 2006 in Berlin und Brandenburg tobenden Rockerkrieg gibt dieser Tage der Totschlags-Prozess vor dem Landgericht Neuruppin gegen zwei Mitglieder der Rockergruppe „Red Devils“, die den „Hells Angels“ nahe stehen und wie diese mit dem Motorclub (MC) „Bandidos“ verfeindet sind. Die rivalisierenden Banden und MCs liefern sich teils blutige Auseinandersetzungen um Einflussgebiete für den Drogenhandel. Erst zum Prozessauftakt vor einem Monat führten Ermittler in Berlin und im Kreis Oberhavel im Auftrag der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) Razzien wegen bandenmäßigen Drogenhandels durch. Im Visier waren auch Mitglieder der „Red Devils“ und „Hells Angels“.
Auch der Hauptbeschuldigte im neuerlichen Neuruppiner Rockerprozess, Bernd K. (36), war im Zuge von Ermittlungsverfahren in Sachen Rauschgift der Polizei aufgefallen und abgehört worden. K. und sein mitangeklagter Freund René W. (27) legten gestern Teilgeständnisse zum Vorwurf des Totschlags ab. K. räumte in einer verlesenen Erklärung ein, im Juli 2008 in Hennigsdorf (Oberhavel) aus Notwehr auf einen Wagen geschossen zu haben, in dem zwei Mitglieder der „Bandidos“ saßen. Dabei wurde ein Polizeibeamter an der Schulter verletzt, gegen den ein Suspendierungsverfahren läuft. Anfang August vergangenen Jahres war dieser zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil er seinem Freund, dem Chef der „Bandidos“ in Hohen Neuendorf (Oberhavel), eine Akte mit den Kennzeichen ziviler Polizeiwagen zugänglich gemacht hatte.
Die Angeklagten aus Hohen Neuendorf und Berlin-Reinickendorf sollen nach PNN-Informationen Waffenmeister und Vizepräsident der „Red Devils“ sein. K. hatte sich nach eigener Aussage eine Pistole besorgt, weil er zuvor von „Bandidos“-Rockern angegriffen worden sei.
Auf ihn sei geschossen worden, Männer mit „südländischem Aussehen“ hätten ihn mit Machete und Messer attackiert, bei einer Motorradfahrt sei er von einem Wagen absichtlich gerammt worden. Selbst sein Motorrad sei manipuliert worden, ließ K. erklären. Mehrmals sei er am Telefon bedroht worden, etwa mit dem Spruch: „Wir haben noch mehr durchgeknallte Kanaken, die dich fertigmachen.“ Nun prüft die Neuruppiner Strafkammer mehrere Beweisanträge der Verteidigung, die die angebliche Notwehrlage belegen sollen. Demnach fuhren K. und W. im Juli 2008 durch Hennigsdorf und entdeckten einen Wagen, der beiden bereits mehrfach aufgelauert haben soll. An einer Kreuzung wollen beide neben dem Wagen gehalten haben. Nach einem Wortwechsel habe der Beifahrer vermutlich nach einem Gegenstand gegriffen – W. zufolge eine Pfefferspraydose. „Ich hatte Angst getötet zu werden, Angst, dass sofort auf mich geschossen wird. Ich habe dann instinktiv zur Pistole gegriffen“, so K. Jemanden mit dem Schuss getroffen zu haben, davon sei er nicht ausgegangenen.
Der Prozess wird am Donnerstag nächster Woche fortgesetzt. Das Gericht strebt noch am selben Tag ein Urteil an.
Bereits Ende November 2008 war ein Mitglied der „Bandidos“ vor dem Cottbuser Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung und Drogenhandels zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Neben dem Drogenhandel gehören laut Ermittlern das Rotlichtmilieu und der Waffenhandel zu den Einnahmequellen der rivalisierenden Banden. Derzeit drängten die Rocker zur besseren Kontrolle des Drogenhandels mit eigenen Wachschutzfirmen in die Türsteherszene. In Berlin soll es derzeit 650 Mitglieder von 13 größeren Rockerclubs geben, zumeist Untergruppen von „Hells Angels“ und „Bandidos“. In Brandenburg ist es etwa die Hälfte.
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