Brandenburg: Schweigen auf der Anklagebank
Prozessauftakt: XY-Bande soll mit Drogenhandel und Glücksspiel 2,4 Millionen Euro verdient haben
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Prozessauftakt: XY-Bande soll mit Drogenhandel und Glücksspiel 2,4 Millionen Euro verdient haben Neuruppin - Hier ein Augenzwinkern, da ein Nicken oder eine mehrdeutige Handbewegung: Die neun angeklagten Mitglieder der so genannten XY- Bande begrüßten gestern im vollen Saal des Neuruppiner Landgerichts viele Bekannte. Vor allem Frauen um die 30 hatten sich lange vor Verhandlungsbeginn um die wenigen Zuschauerkarten bemüht. Schließlich sitzen ihre Ehemänner oder Verlobten – bis auf einen 43-jährigen Versicherungsmakler – schon seit August oder September 2004 in Untersuchungshaft. Beim Auftakt des bislang größten Prozesses gegen die organisierte Kriminalität in Brandenburg schwiegen die Männer eisern. Erst für den nächsten Verhandlungstag am 9. Mai kündigten drei Angeklagte eine kurze Erklärung an. Die Staatsanwälte bezifferten erstmals öffentlich den vermutlichen Gewinn der mafiartig organisierten Bande: Zwischen 1997 und 2004 hätte sie aus Drogenhandel 1,4 Millionen Euro und eine Million aus illegalem Glücksspiel in Spielsalons erzielt (PNN berichteten), die sie in Neuruppin, Eberswalde, Rathenow, Aschersleben und Bautzen betrieben. Dazu kamen Bordelle, in denen osteuropäische Frauen unter Verstoß gegen das Ausländergesetz arbeiteten. Den Angeklagten werden mehr als 250 Straftaten angelastet. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft hat die vom CDU-Stadtverordneten Olaf K. geführte Gruppierung in den acht Jahren ein kriminelles Netz ausgelegt; zur Last gelegt wird ihr auch Bestechung, Erpressung und gefährliche Körperverletzung. Wie stark das 24 000 Einwohner zählende Neuruppin von der Bande beherrscht worden sein muss, zeigt eine Formulierung in der zum Prozessauftakt verteilten Erklärung von Bürgermeister Jens-Peter Golde: Der 18. August 2004, an dem die Haftbefehle vollstreckt wurden, habe „viele Bürger der Stadt aufatmen lassen“. Der parteilose Golde, der sein Amt im März vom PDS-Politiker Otto Theel übernommen hatte, erklärte, die Ermittlungsergebnisse seien mit „Entsetzen und Scham“ aufgenommen worden. Mit der XY-Bande hätten auch der Leiter des Liegenschaftsamtes, ein Neuruppiner Rechtsanwalt, ein Polizist und eine Mitarbeiterin des Gewerbeamtes gemeinsame Sache gemacht. Die 18 Verteidiger der Angeklagten versuchten gestern, eine Verlegung an ein Gericht außerhalb Brandenburgs zu erreichen. Durch die Medienberichte könne das Gericht nicht mehr vorurteilsfrei entscheiden. Der Antrag wurde ebenso abgelehnt wie die Forderung nach einer Verhandlung vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts, da nur dieser für kriminelle Vereinigungen zuständig sei. Dem widersprach der Vorsitzende Richter Gert Wegner: Erst im Prozess werde sich zeigen, ob die XY-Bande tatsächlich eine kriminelle Vereinigung gewesen sei.
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