Brandenburg: Schweinegeld für Berlin
Sarrazins letzte Rede bei den Berliner Kaufleuten: Der Bund hat aber nie gern für die Stadt gezahlt
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Berlin - In seinem letzten Vortrag als Berliners Finanzsenator hat Thilo Sarrazin (SPD) noch einmal mal mit alten Berliner Subventionsansprüchen abgerechnet. Er beklagte den „mental bedingten Zeitverlust“ bei dringend nötigen Reformen nach dem Mauerfall. Die damaligen „Berliner Führungseliten“ seien deshalb für zwei Drittel des heutigen Schuldenbergs von 60 Milliarden Euro zuständig.
Beim traditionellen Business-Frühstück des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) am Mittwoch früh räumte Sarrazin auch gründlich mit der Vorstellung auf, die ehemals geteilte Stadt habe dem Bund besonders am Herzen gelegen. „Niemand hat je gern für Berlin gezahlt“, sagte der langjährige Referent im Bundesfinanzministerium. Die Stimmung sei eher gewesen: „Es wäre doch billiger, Berlin in der Lüneburger Heide neu aufzubauen und den ganzen alten Krempel der DDR zu geben.“ Mit großer Begeisterung habe der Bund nach 1990 die Berlinförderung gekürzt.
Sarrazin erinnerte daran, was für ein „Schweinegeld“ der Bund beispielsweise in die (West-)Berliner Wohnungsbauförderung gesteckt habe. Er sprach von „korrupten Strukturen“ und Investoren, die sich daran „dumm und dämlich verdient haben“. Da ging ein leises Stöhnen durch die Reihen der ehrbaren Unternehmer, die dem scheidenden Finanzsenator ansonsten stürmisch Beifall spendeten. Und sie lachten, als Sarrazin die Sanierung der Staatsoper aus Bundesmitteln als einen Ausnahmefall darstellte. „Wir hätten sie sonst zugemacht, abgeschlossen und als Ruine stehen lassen.“ Aber dann hätte die Kanzlerin Angela Merkel nichts mehr gehabt, wohin sie abends ihre Staatsgäste ausführen könnte.
Sarrazins Fazit: Berlin bleibe vorerst eine arme Stadt. Ballungszentren wie München, Hamburg oder Frankfurt/Main, mit denen sich die Hauptstadt gern vergleiche, spielten wirtschaftlich und finanziell in einer ganz anderen Liga. Seit der Einheit, so Sarrazin, sei das Bruttoinlandsprodukt Berlins nur um 5,1 Prozent gewachsen. Im bundesweiten Durchschnitt dagegen um 28,5 Prozent.
Aber beim Export von Industrieprodukten sieht der promovierte Volkswirt Berlin auf gutem Weg. Überhaupt habe sich der industrielle Kern der Stadt in den letzten Jahren stabilisiert und auch die Beschäftigtenzahlen zeigten positive Trends. Berlin befinde sich in einem „gewaltigen Strukturwandel“, vor allem der Dienstleistungsbereich expandiere gewaltig. Gleichzeitig bleibe die Stadt, soweit es die soziale Lage der Bevölkerung betreffe, in einer „bundesweiten Ausnahmesituation“. 20 Prozent der Einwohner lebten von Sozialtransfers, und das sei kein Ausländerproblem. Im Vergleich zu München oder Stuttgart, wo jeder fünfte Bewohner keinen deutschen Pass hat, „sind wir eine ausländerarme Stadt“.
Sarrazins letzte Botschaft an den Senat und seinen Nachfolger Ulrich Nußbaum: „Entweder gibt Berlin den Konsolidierungskurs auf oder nimmt Abschied von dem Glauben, die Probleme im Sozial- und Bildungsbereich mit mehr Geld bekämpfen zu können.“ In der Verwaltung müssten mehr als 15 000 Stellen gestrichen werden. „Egal, ob wir das Personal brauchen oder nicht, wir können es uns nicht leisten.“ Der VBKI-Vorstand Michael Schlößer sagte: „Ich glaube, Sie werden schon in einigen Monaten der bekannteste Bundesbanker sein.“ Ulrich Zawatka-Gerlach
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