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PNN-INTERVIEW: „Schwere Fehler gemacht“

Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) über die Neustrukturierung des Verfassungsschutzes

Stand:

Herr Woidke, Bundesinnenminister Friedrich wollte den Verfassungsschutz in wichtigen Punkten zentralisieren – und den Nachrichtendiensten der Länder Kompetenzen beschneiden beziehungsweise sie zu einer anderen Art der Zusammenarbeit mit dem Bundesamt zwingen. Teilen Sie die Intention des Bundesministers?

Der Bundesinnenminister ist da wohl im Vorfeld etwas missverstanden worden. Jedenfalls hat sich die Überzeugungskraft der Länderargumente durchgesetzt. Wir haben einen breiten Konsens. Ich halte es jedoch für richtig, die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern neu auszurichten. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Verfassungsschutzverbund muss neu abgestimmt werden. Es geht um bessere Kommunikation, schnellere Information und eine engere Kooperation. Dort muss der Schwerpunkt der Reform liegen. Dabei gilt für mich das Prinzip Zusammenarbeit und nicht das Prinzip Zentralisierung.

Macht es nicht Sinn, dem Bund beim Innlandsdienst mehr Verantwortung zu geben – irgendwo müssen doch die Informationen gesammelt und ausgewertet werden?

Wir brauchen starke Verfassungsschutzbehörden der Länder. Verfassungsschutz vor Ort braucht regionale Kompetenz. Ich will keine Mega-Behörde, die Zossen oder Spremberg erst einmal auf der Landkarte suchen muss. Wir wollen die parlamentarische Kontrolle stärken. Aber auch dazu braucht es klare politische Verantwortlichkeiten im föderalen System. Wenn das nicht so wäre, hätten wir am Ende nicht mehr, sondern weniger Kontrolle und Transparenz. Die Stärkung bestimmter Zentralfunktionen des Bundesamtes halte ich dagegen für durchaus sinnvoll. Aber alle Länder widersprechen geschlossen einer Einschränkung originärer Länderkompetenzen. Damit würde nichts besser werden. Im Übrigen ist der Bund selbst in einer Bringschuld: Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sich bekanntlich auch nicht eben mit Ruhm bekleckert. Auch das spricht gegen einen Verfassungsschutzzentralismus. Hinzu kommt, dass viele Vorschläge, die jetzt diskutiert werden, in Brandenburg seit vielen Jahren bewährte Praxis sind.

Welche denn?

Das betrifft die Grundsätze von Kooperation und Transparenz, das Prinzip, dass der Verfassungsschutz Partner der Zivilgesellschaft sein soll oder auch den Ansatz, dass sich der Verfassungsschutz gegenüber der Gesellschaft durch offensive Öffentlichkeitsarbeit und Information vor Ort öffnen soll. Er soll Frühwarnsystem für die Gesellschaft sein. In mancherlei Hinsicht sind die in Brandenburg gemachten Erfahrungen vorbildlich für die aktuelle Debatte.

Also: Grundsätzlich begrüßen Sie die Debatte?

Unbedingt. Es sind schwere Fehler gemacht worden. Gefahren von Rechts wurden unterschätzt. Und der Verfassungsschutz hat viel Vertrauen verloren. Da kann es kein ’Weiter so’ geben. Aber ich rate zu einer Debatte mit kühlem Kopf. Aktionismus macht nichts besser. Auch die Irritationen, die der Bundesinnenminister im Vorfeld ausgelöst hatte, wären vermeidbar gewesen. Man sollte eben erst mit den Innenministerkollegen und dann mit der Presse reden. Wir haben mit dem heutigen Beschluss nun einen Fortschritt in der Debatte, aber sie muss weitergehen. Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. Aber es bleibt noch viel zu tun: Vertrauen ist schnell verspielt – aber sehr langsam wieder aufgebaut. Wir sind gegenüber der Gesellschaft in einer Bringschuld. Das ist mir völlig klar.

Die Fragen stelle Peter Tiede

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