Brandenburg: Sechs Tote im Maßregelvollzug in nur einem Jahr
Zahl in Berlin deutlich höher als in den Vorjahren – zwei Patienten begingen Suizid
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Berlin - Erstmals seit zwei Jahren gab es 2006 im Berliner Maßregelvollzug wieder zwei Selbsttötungen. Insgesamt wurden sechs Todesfälle verzeichnet – deutlich mehr als in den Vorjahren. 2004 starben drei Häftlinge in den beiden Krankenhäusern des Maßregelvollzugs in Buch und Reinickendorf, 2005 war es einer. Diese Zahlen nannte die Gesundheitsverwaltung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus. Die beiden Männer, die sich das Leben nahmen, waren bekannte Straftäter: Im Oktober erhängte sich, wie berichtet, Lothar Terletzki, der im August 2000 in der Charlottenburger Herderstraße eine verheerende Gasexplosion ausgelöst hatte. Im März hatte sich der Sexualstraftäter Berto Borsch in der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik erhängt. Borsch hatte Anfang 2001 ein neunjähriges Mädchen in Marzahn entführt und in drei Tagen mehrfach missbraucht. Einen Grund für den Anstieg der Todesfälle nennt die Verwaltung nicht. Derzeit gibt es dort 578 Patienten.
Gestellt hatte die Anfrage der Abgeordnete Benedikt Lux (Grüne) nach dem Streit um die vielen Suizide in Gefängnissen. Wie berichtet, hatte die Justizverwaltung im Dezember entschieden, die Öffentlichkeit nicht mehr über Selbstmorde in Gefängnissen zu informieren – nachdem es 2006 dort die Rekordzahl von zehn Suiziden gab. Um diese Entscheidung wird seit Monaten gestritten. Die Grünen im Abgeordnetenhaus haben angekündigt, monatlich eine Anfrage an die Justizverwaltung zu stellen, um die Zahl der Todesfälle zu erfahren. Die Gesundheitsverwaltung, der der Maßregelvollzug untersteht, meldet Suizide und Todesfälle seit Jahren nicht mehr. In den Maßregelvollzug werden von Gerichten schuldunfähige oder suchtkranke Straftäter eingewiesen. Es gilt der Auftrag der „Besserung und Sicherung“. Die Besserung – so die Klage eines Patienten – komme jedoch viel zu kurz. In einem Brief an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses des Abgeordnetenhauses, der dieser Zeitung vorliegt, schreibt er: „Ich habe in zwei Jahren viermal einen anderen Therapeuten bekommen. Das ist zu oft.“ Zudem würden die begangenen Straftaten in der Therapie äußerst selten thematisiert, sondern nur „die Konflikte und der Alltag auf Station“, schreibt der Mann, der seit 2004 in der Bonhoeffer-Klinik sitzt. „Es gab und es gibt Suizidversuche und Suizide“, heißt es in dem Brief. Die Klinikleitung sei „offensichtlich überfordert“.
Jörn Hasselmann
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