zum Hauptinhalt
Ruine. Polizisten im niedergebrannten Haus der Demokratie in Zossen.

© Archiv/dpa

Brandenburg: Selbsternannter „Führer“ vor Gericht

Daniel T. war Kopf einer Neonazi-Kameradschaft in Zossen. Nun steht er wegen des Brandanschlags auf das „Haus der Demokratie“ vor Gericht

Stand:

Zossen - Er war der Kopf einer der gewaltbereitesten rechtsextremistischen Gruppen in Brandenburg, Ermittler nennen ihn einen „selbsternannten Führer“. Ab dem heutigen Donnerstag wird Daniel T. (25) vor dem Amtsgericht Zossen der Prozess gemacht. Laut Anklage soll er im Januar 2010 einen 16-Jährigen dazu angestiftet haben, dass „Haus der Demokratie“ in Zossen in Brand zu setzen. Daneben legt ihm die Anklage zahlreiche weitere Delikte von Volksverhetzung und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidrige Organisationen zur Last. Insgesamt sind es 27 Anklagepunkte. Der Prozess wird unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen ablaufen.

Christoph Kopke vom Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) in Potsdam sieht im Fall Zossen zwar bei weitem nicht die Ausmaße wie bei dem mordenden Neonazi-Trio aus Zwickau. „Doch die Gefahr besteht immer, dass sich solche Gruppen immer stärker radikalisieren. Es gibt eine starke Affinität zu Gewalt und Waffen.“ So etwas sei auch in Brandenburg möglich, sagte auch MMZ-Mitarbeiter Gideon Botsch. „Der Wille ist da, auch Waffen und das Know-how.“ Vielleicht war es nur Zufall, dass in Zossen nicht mehr passierte, kein Mensch zu Tode gekommen ist. Denn Aussteiger aus der rechtsextremistischen Szene halten Zossen nur für die Spitze des Eisbergs. Es gebe die latente Bereitschaft mit Rohrbomben und Waffen gegen den Staat und einzelne Personen vorzugehen, berichteten frühere Mitglieder der Szene. Allein in Brandneburg zählen die Sicherheitsbehörden mehr als 450 gewaltbereite Neonazis.

Daniel T. soll laut Anklage drei Jugendliche dazu angestiftet haben, das von der Bürgerinitiative „Zossen zeigt Gesicht“ aufgebaute Haus anzuzünden. Dieses war im Januar 2010 vollständig niedergebrannt und mit ihrem eine Ausstellung über jüdisches Leben Zossen zerstört worden. Kurz darauf hatte ein damals 16-Jähriger die Tat gestanden. Das Verfahren gegen ihn wurde im August 2010 eingestellt, weil er nach Ansicht des Gerichts nicht über die sittliche Reife verfügte, das Unrecht der Tat einsehen zu können. Auch seine 13 und 15 Jahre alten Komplizen kamen ohne Strafe davon.

Daneben soll T. in Königs Wusterhausen und Zossen „Stolpersteinen“ zur Erinnerung an jüdische NS-Opfer mit Hakenkreuzen beschmiert und geschändet, in Zossen eine Gedenkveranstaltung am Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz mit „Lüge“-Rufen gestört und NS-Verbrechen geleugnet und verharmlost haben. Der 25-Jährige T. ist einschlägig vorbestraft und verurteilt worden, erst im Februar 2011 wegen „Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole“, 2005 wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der 25-Jährige war Kopf der im April vom Innenministerium verbotenen Kameradschaft „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF). In Zossen und Umgebung war die 50 Mitglieder umfassende, 2006 formierte Gruppierung, die nach den „Nationalen Sozialisten“ in Südbrandenburg zu den stärksten Neonazi-Gruppen im Land zählte, zunehmend selbstbewusst aufgetreten. Die äußerlich als „Autonome Nationalisten“ auftretenden Neonazis hatten sich im Internet klar zum Dritten Reich und zur NS-Ideologie bekannt.

Aus Sicht des Vereins Opferperspektive wurde Zossen „für viele zu einem Angstraum“. Die Neonazis verteilten Propagandamaterial und eine Schüler-CD an Schulen und rekrutierten gezielt Jugendliche. Damit konnten sie – wie bei der Brandstiftung – sogar 12- bis 15-Jährige für sich gewinnen . Ermittler sprachen damals von einem „für Gewalt und Verrohung empfänglichen Milieu“, das kaum sozialisiert sei. „Für Neonazis ist es kein Problem, solche Leute zu steuern.“

Die Neonazis hinterließen auch Morddrohungen an Hauswänden gegen Mitstreiter der Bürgerinitiaitve „Zossen zeigt Gesicht“. Initiativen-Mitglieder waren mehrfach attackiert worden, Fensterscheiben gingen zu Bruch, ein Brandanschlag auf das Auto eines Initiativen-Mitglieds schlug fehl. Die Drohungen blieben allerdings ohne strafrechtliche Konseqenzen.

Zumindest, so schätzen es die Experten vom MMZ ein, haben Brandenburgs Sicherheitsbehörden entschieden auf die Umtriebe der Neonazis reagiert – anders als in anderen Ländern, wie der Fall des Zwickau-Trios zeigt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })