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Berliner Justiz schlampte erneut: Sicherungsverwahrter kam beinahe frei

Berlin - Zwei als gefährlich eingestufte Sicherungsverwahrte waren durch die Schlampereien eines Richters im Mai und Juni in Berlin freigekommen. Doch es gibt einen dritten Fall, wie jetzt bekannt wurde – in allen Fällen war der gleiche, inzwischen versetzte Richter F.

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Berlin - Zwei als gefährlich eingestufte Sicherungsverwahrte waren durch die Schlampereien eines Richters im Mai und Juni in Berlin freigekommen. Doch es gibt einen dritten Fall, wie jetzt bekannt wurde – in allen Fällen war der gleiche, inzwischen versetzte Richter F. verantwortlich. Ein Gerichtssprecher bestätigte dieser Zeitung, dass auch der Sicherungsverwahrte Wolfgang R. fast freigekommen wäre. Durch einen Fehler vereitelte der seit fast 20 Jahren einsitzende Mann aber seine Freilassung: Er hatte die sogenannte Untätigkeitsbeschwerde gegen die Justiz formal falsch gestellt.

In der Sache bekam er recht, auch dieser Beschluss des Kammergerichts ist eine schallende Ohrfeige für die Arbeit der für Haftsachen zuständigen Strafvollstreckungskammer unter Richter F. Auch bei Wolfgang R. wurden Akten liegen gelassen und Gutachten zu spät beauftragt und zu spät abgegeben. Zudem hat der Richter ein entscheidendes Datum in den Akten frisiert und zurückdatiert, wie das Kammergericht rügt. Wie in den anderen beiden Fällen setzt das Gericht im Beschluss zu R. die genannten Termine von Entscheidungen in Anführungsstriche – weil sie nicht stimmen können.

Doch für das Recht sind exakte Termine zwingende Voraussetzungen. Sicherungsverwahrte müssen einmal pro Jahr begutachtet werden. Auch bei R. wurde diese Frist deutlich überzogen. „Es gab auch in diesem Fall nicht mehr vertretbare Verfahrensverzögerungen“, bestätigte Justizsprecher Tobias Kaehne: „Das sind drei Fälle, die nicht gut gelaufen sind.“ Auch die Entlassungen von Marcel M. und einem weiteren Mann hatte diese Zeitung öffentlich gemacht. Anschließend hatten Verbände und Politiker die Arbeit der Justiz heftig kritisiert. Wie berichtet schlampte der Richter „wegen starker persönlicher Überlastung“, wie der Gerichtssprecher am Dienstag noch einmal sagte. Laut Kaehne soll es keinen weiteren Fall geben. F. ist nicht mehr Richter an der Strafvollstreckungskammer.

Wolfgang R. ist in der JVA Tegel der Rekordhalter unter den Sicherungsverwahrten. 1998 war der vielfach Vorbestrafte zu zwei Jahren und neun Monaten wegen Körperverletzung sowie drei Monaten wegen Sachbeschädigung verurteilt worden. Seit 2000 sitzt er nun in Sicherungsverwahrung. Aus drei Jahren Haft wurden mittlerweile knapp 18 hinter Gittern. Das Kammergericht hat nun eine klare Frist gesetzt: „Die nächste Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung ist bis zum 31. Dezember 2015 zu treffen.“ Aus Sicht der Staatsanwaltschaft gilt der 1957 geborene R. weiter als gefährlich.

Das Gleiche gilt für die beiden im Mai und Juni auf Beschluss des Kammergerichtes freigelassenen Marcel M. und dem weiteren Mann, auch sie gelten weiter als gefährlich. Im Fall des 32-jährigen Sexualtäters M. hat die Staatsanwaltschaft unterdessen scharfe Auflagen durchgesetzt – unter anderem eine elektronische Fußfessel. Zudem darf M. keinen Alkohol und kein Cannabis konsumieren – jeder Verstoß wäre eine Straftat. Außerdem soll ein neues Gutachten seine andauernde Gefährlichkeit nachweisen – zwingende Voraussetzung, um ihn wieder in Sicherungsverwahrung zu nehmen. Der 1983 geborene M. war wegen „besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Waffe“ 2008 zu sechseinhalb Jahren anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Er hatte eine Schwangere mit einer Schusswaffe bedroht und dann vergewaltigt. Auch gegen den anderen Mann, der wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen einsaß, strebt die Staatsanwaltschaft derartige Auflagen an, eine Entscheidung ist noch offen. Jörn Hasselmann

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