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Brandenburg: Sichtbare Geschichte

Ein Prenzlauer Lehrer bringt Schülern nicht nur Theorie bei. Der Bundespräsident hat ihn dafür geehrt

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Prenzlau/Berlin - Bettler im 19. Jahrhundert, jüdisches Leben, die Stasi: Der Geschichtslehrer Jürgen Theil aus Prenzlau (Uckermark) liebt Regionalgeschichte. Er forscht gemeinsam mit seinen Schülern. Für sein Engagement wurde der 50-Jährige am Mittwoch von Bundespräsident Joachim Gauck im Berliner Schloss Bellevue geehrt.

Theil erhielt den Tutorenpreis in einem Geschichtswettbewerb. Der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten ist der größte historische Forschungswettbewerb für junge Menschen in Deutschland. Schüler aus ganz Deutschland wurden ebenso wie zwei weitere Lehrer ausgezeichnet. „Mein Lehrer hat mir geholfen, den Blick für die Ereignisse zu schärfen, die damals direkt in meiner Heimat geschahen. Ich wusste vorher gar nicht, wie viele Vertriebene in meinem Heimatdorf leben. Es war sehr spannend für uns, das zu erfahren“, sagt der 16 Jahre alte Prenzlauer Gymnasiast Jakob Putz. Auch er ist ein Preisträger: Putz wurde in diesem Jahr für seine Forschungen über die Vertriebenen in der Uckermark Brandenburger Landessieger im Geschichtswettbewerb der Körber-Stiftung. Jürgen Theil vom Peter-und-Christa-Scherpf- Gymnasium hat seine Arbeit betreut.

Bettlern drohte im 19. Jahrhundert in Prenzlau die städtische Armenanstalt. In der DDR unterhielt die Stasi in der Stadt mit ihren rund 20 000 Einwohnern mehr als 80 konspirative Wohnungen. Solche Themen sind neben Soldatenschicksalen im Ersten Weltkrieg, jüdischer Geschichte und Historischem zum Verkehr in der Uckermark für Theil und seine Schüler interessant. Seit 20 Jahren betreut der Lehrer Schülerarbeiten für den Geschichtswettbewerb – 38 Arbeiten haben seine Schüler bisher eingereicht, mehrfach erhielten sie Preise.

Für dieses Engagement wurde Theil jetzt ausgezeichnet. „Die Beschäftigung mit der Geschichte ist ja nicht nur mein Beruf, sondern mein Hobby“, sagt der 50-Jährige. Auch in seiner Freizeit lässt ihn die Geschichte nicht los. So ist er Mitbegründer des uckermärkischen Geschichtsvereins, der mittlerweile eine große Palette an Veröffentlichungen zur Regionalgeschichte aufweist. „Ich finde es spannend, über die Auswirkungen großer geschichtlicher Ereignisse direkt vor der eigenen Haustür zu forschen. So wird Geschichte lebendig erlebbar. Und so können Jugendliche am ehesten für die Auseinandersetzung mit historischen Themen begeistert werden.“ Eines der wichtigsten Historienprojekte der Vergangenheit sei für ihn die Geschichte des jüdischen Friedhofs in Prenzlau gewesen – nicht nur in der Theorie. Nationalsozialisten hatten den Friedhof in der Pogromnacht von 1938 zerstört. Mit seinen Schülern barg Theil Reste der Grabsteine, die von den Nazis für den Straßenbau verwendet worden waren. Aus ihnen entstand eine Mauer auf dem jüdischen Friedhof mit einer Thora-Rolle als Symbol in der Mitte. Bei Grabungen im Stadtpark entdeckten sie die Fundamente der ehemaligen Friedhofsmauer und machten sie sichtbar.

Für den Prenzlauer Bürgermeister Hendrik Sommer (parteilos) ist die Ehrung „ein gutes Signal, sich mit der Regionalgeschichte auseinanderzusetzen, um seine Heimat besser kennenzulernen“. Matthias Bruck

Matthias Bruck

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