Brandenburg: „Sie haben wohl einen Knall“ – Eklat in Berlin SPD-Abgeordnete: Verfassungsfeinde bei der CDU
Berlin - Unter großem Protest zog die CDU-Fraktion gestern aus dem Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses aus. Und kam an diesem Tag auch nicht wieder.
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Berlin - Unter großem Protest zog die CDU-Fraktion gestern aus dem Plenarsaal des Berliner Abgeordnetenhauses aus. Und kam an diesem Tag auch nicht wieder. Der Zorn der Unionsabgeordneten richtete sich zunächst gegen die SPD-Sozialexpertin Ülker Radziwill, die zu Beginn der Parlamentssitzung sagte: „Man könnte meinen, die Verfassungsfeinde befinden sich in der Mitte des Bundestages, genauer gesagt, halbrechts in der CDU/CSU-Fraktion.“ Radziwill spielte damit auf den koalitionsinternen Streit im Bund um die Reform der Jobcenter an, die landesweit SPD und CDU entzweit (Brandenburg: siehe Kasten). Die Union wolle einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Neuordnung der Jobcenter nicht folgen und verweigere sich einem Kompromiss, nahm Radziwill die einschlägig bekannten Vorwürfe der Bundes-SPD auf.
CDU-Fraktionsgeschäftsführer Uwe Goetze eilte daraufhin ans Podium und forderte eine fünfminütige Unterbrechung der Sitzung. Die Union brauche eine kurze Überlegungszeit. Die SPD-Abgeordnete Radziwill habe die Union zu Verfassungsfeinden erklärt, das müsse der Parlamentspräsident Walter Momper rügen. Zumal das Landesparlament kurz zuvor einstimmig eine Resolution gegen die NPD beschlossen habe.
Den Einwand des SPD-Fraktionsgeschäftsführers Christian Gaebler, seine Kollegin habe doch nur „könnte man meinen “ gesagt, ließen die Christdemokraten nicht gelten. Momper sprach anschließend zwar eine Rüge aus, aber die richtete sich gegen den CDU-Abgeordneten Mario Czaja, der bei Radziwills strittiger Rede dazwischenrief: „Sie haben wohl einen Knall!“ Das empörte den CDU-Landes- und Fraktionschef Frank Henkel so, dass er laut in den Saal in Richtung Momper rief: „Sie haben wohl auch einen Knall – könnte man meinen.“ Das brachte Henkel prompt einen Ordnungsruf ein.
Der CDU-Antrag auf Unterbrechung der Sitzung wurde mit den Stimmen von SPD, Linken und fast allen Grünen abgewiesen. Daraufhin zog die CDU geschlossen aus dem Plenarsaal aus und trafen sich zu einer Sondersitzung der Fraktion. Dort beschlossen sie, der letzten Sitzung vor der Osterpause gänzlich fernzubleiben. So etwas hat es seit Jahren nicht mehr gegeben. Fraktionschef Henkel nannte Radziwills Äußerung „unfassbar und indiskutabel“. Dieser unsägliche Angriff auf die Union werde nicht tatenlos hingenommen. Ausdrücklich weitete Henkel den Protest seiner Fraktion auf den Abgeordnetenhauspräsidenten Momper aus, weil der stets parteilich agiere. „Nach einer Kette von Verfehlungen in den vergangenen sieben Jahren fühlt sich die CDU-Fraktion durch Momper nicht mehr vertreten.“ Die Angelegenheit werde ein Nachspiel haben. Dies sei ein „schwerer Fall“. Ob die Union den Rücktritt des Parlamentspräsidenten fordern will, ließ Henkel offen. Nach Ostern werde er das Gespräch mit den Fraktionen im Ältestenrat suchen.
Auch die Grünen äußerten Kritik an der „unglücklichen“ Einlassung Radziwills und an der Sitzungsleitung Mompers. Dagegen sprach der SPD-Fraktionssprecher Torsten Metter von einer „merkwürdigen, lächerlichen Aktion der Union“. Schließlich hätte die CDU-Fraktion, um die Vorwürfe zu klären, den Ältestenrat des Parlaments einberufen können, anstatt auszuziehen. Nach der weniger dramatischen Aktuellen Stunde zur Neuordnung der Jobcenter forderte das Berliner Parlament eine Stunde später mit rot-rot-grüner Mehrheit die Bundesregierung auf, den zwischen Bundesarbeitsministerium und Vertretern der Länder gefundenen Kompromiss umzusetzen.Ulrich Zawatka-Gerlach
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