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Brandenburg: „Sie war die bestimmende Kraft“
Es ist einer der kuriosesten Kriminalfälle Brandenburgs: Maike Thiel verschwand 1997 spurlos. Nun verurteilte das Landgericht Neuruppin eine Mutter und ihren Sohn wegen Mordes und Anstiftung dazu
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Neuruppin/Velten - Maike Thiel ist seit 17 Jahren verschwunden. Nun scheint einer der kuriosesten Kriminalfälle in der brandenburgischen Geschichte vorerst jurstisch geklärt. Das Landgericht Neuruppin geht von Mord aus – obwohl von der Leiche des Opfers jede Spur fehlt. Hochschwanger war die damals 17-Jährige zuletzt lebend gesehen worden. Das Landgericht verurteilte am gestrigen am Mittwoch eine 61 Jahre alte Frau und ihren Sohn – den Ex-Freund des Opfers – zu lebenslanger Haft. Nach Überzeugung der Richter musste die Jugendliche aus Leegebruch (Oberhavel) sterben, weil sie sich gegen den Willen des Kindesvaters für das Baby entschieden hatte. Ein mutmaßlicher dritter Beteiligter musste sich nicht vor Gericht verantworten, weil er verhandlungsunfähig ist.
Die werdende Großmutter wollte die Unterhaltszahlungen nicht akzeptieren und stiftete nach Überzeugung des Gerichts ihren Sohn sowie einen heute 80 Jahre alten Bekannten im Juli 1997 zu der Tat an. „Sie war die bestimmende und dominierende Kraft“, sagte der Vorsitzende Richter Gert Wegner. „Sie hatte ihren Sohn unter ihrer Fuchtel und hat deshalb die heimtückische Tötung billigend in Kauf genommen.“ Mit dem Urteil hat das Gericht den Verdacht von Maikes Eltern bestätigt – und nach 14 Monaten einen quälenden Gerichtsprozess beendet.
Der größte Wunsch der Eltern blieb jedoch unerfüllt: Antworten zu bekommen. Die Angeklagten haben – trotz flehender Aufforderung der Angehörigen – vor Gericht geschwiegen. Die Leiche von Maike ist bis heute verschwunden. Weder die Recherchen eines Privatdetektivs, den die Eltern eingeschaltet hatten, Grabungen an verschiedenen Stellen noch von der Staatsanwaltschaft angeforderte Suchhunde der Polizei führten zur Leiche des Opfer.
Mutter und Vater von Maike Thiel weinten nach dem Urteil. Sie hatten lange auf diesen Prozess gewartet. „Sie wünschen sich, dass endlich Licht ins Dunkel kommt“, sagte ihr Anwalt Andreas Steffen zum Auftakt im Mai 2013. Neben den Eltern traten auch Bruder und Schwester des Opfers als Nebenkläger auf. Keinen der 45 Prozesstage versäumte die Familie. „Der Prozess hat das Ganze noch schmerzhafter werden lassen als es die gesamten 17 Jahre war“, so Steffen. „Zweimal lebenslang bringt mir meine Tochter auch nicht wieder“, sagte die Mutter.
Die Angeklagten waren früh ins Visier der Ermittler geraten – doch die Indizien reichten nicht aus. Ende 2012 war sich die Staatsanwaltschaft sicher, das Trio doch noch überführen zu können.
Die Polizei hatte den Fall auch mithilfe der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY...ungelöst“ noch einmal aufgerollt. Dabei hatte sich der Verdacht gegen die Beschuldigten erhärtet.
Für die Richter war der als „Mord ohne Leiche“ bekannt gewordene Fall eine besondere Herausforderung. Spuren am Tatort oder Schilderungen eines Gerichtsmediziners zum Tathergang anhand der Obduktion helfen, Täter zu überführen. Beides fehlte aber in diesem Fall.
In der 14 Monate dauernden Verhandlung blieben viele Fragen zum Tathergang offen. Doch nach der Befragung von rund 50 Zeugen und wegen der Indizienlage sind die Richter überzeugt: Die beiden Männer haben die hochschwangere 17-Jährige im Auftrag der Mutter „heimtückisch und aus Habgier“ getötet. Sie lockten Maike nach einer Schwangerschaftsuntersuchung im Krankenhaus Hennigsdorf unter einem Vorwand ins Auto, so ihr Urteil. Dann sind sie mit der jungen Frau in ein Waldstück gefahren. Der auf der Rückbank sitzende Senior soll sie von hinten erdrosselt haben. Dafür habe der Mann umgerechnet knapp 1800 Euro erhalten.
Das Urteil stützt sich auf Zeugen, denen der 35-Jährige nach ihren Angaben die Tat gestanden hat. Der Beschuldigte war an dem Ort, an dem Maike zuletzt gesehen wurde. Zudem deutet eine Narbe auf eine Bisswunde hin, die er sich bei der Tat zugezogen haben soll.
Die Angeklagten verfolgten die Urteilsverkündung fast regungslos. Sie wollen in Revision gehen und bleiben zunächst auf freiem Fuß. Das Gericht erhielt die Haftverschonung aufrecht. Maikes Verschwinden bleibt damit ein Fall für die Justiz. Für die Eltern ist er ohnehin nicht beendet.
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