zum Hauptinhalt
Mit einer Sitzblockade sperren Demonstranten am Samstag die Bundesstraße 96 vor dem Flughafen in Schönefeld. Mehrere tausend Demonstranten protestierten gegen die Flugrouten des zukünftigen BBI Airports und forderten ein konsequentes Nachtflugverbot.

© dpa

PROTEST GEGEN FLUGROUTEN: Sitzblockade in Schönefeld

Bei der vierten Großdemonstration versperrten Flugroutengegner die Airport-Zufahrt in Schönefeld. Tausende trugen den "Rechtsstaat symbolisch zu Grabe" - bevor am Montag die Fluglärmkommission tagt. Die beschäftigt sich auch mit der Frage, ob Potsdam und das Umland umflogen werden.

Stand:

Schönefeld - Beim vierten Mal wurde der Ton noch schärfer. Ab 15 Uhr gingen am Samstagnachmittag wieder Tausende Protestler des Bündnisses „Berlin Brandenburg gegen neue Flugrouten“ auf die Straße und versperrten erstmals mit einer Sitzblockade und lauten Sprechchören auf der Bundesstraße B 96a die Flughafenzufahrt. Rund zehn Minuten lang war für Autos auf dem Asphalt in Höhe S-Bahnhof Schönefeld kein Durchkommen mehr. Fluggäste kamen aber in keine große Bedrängnis. Die Polizei hatte für sie eine Umleitung vorbereitet und frei gehalten.
Inmitten der Blockierer stand ein Sarg mit der Aufschrift: „Wir trauern um den Vertrauensschutz.“ Drumherum hielten Demonstranten zahlreiche Holzkreuze hoch. Symbolisch wurden so „Rechtsstaat und Nachtruhe“ zu Grabe getragen. Man fühle sich von Politikern und Planern hintergangen, hieß es. Alle Bauarbeiten am künftigen Großflughafen BBI, der im Juni 2012 eröffnet werden soll, müssten sofort gestoppt werden. Viele Protestler machten klar: „Wir lehnen den BBI in Schönefeld generell ab.“
Mit Trommeln und Trillerpfeifen waren die Demonstranten zuvor von der Dorfkirche in Schönefeld zum Flughafen gezogen. Die Veranstalter sprachen von rund 10 000 Teilnehmern. Diese liefen auf der B 96a, weshalb der Flughafenzubringer nicht nur durch die Sitzblockade, sondern auch durch den einen Kilometer langen Umzug mehr als zwei Stunden versperrt war. Der Protest der mittlerweile vierten Großdemo richtete sich gegen die geplanten Flugrouten am Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI), gegen ein internationales Drehkreuz und für ein striktes Nachtflugverbot. Den 200 000 von Fluglärm bedrohten Anwohnern fehle die Lobby, riefen Teilnehmer. Deshalb müssten sie sich wehren.
Die Blockade sei eine Reaktion auf das jetzt bekannt gewordene Vorgehen der Behörden im Genehmigungsverfahren. Diese hätten die erforderlichen Flugrouten vertuscht, sagte Robert Nicolai von der BI Schallschutz Rangsdorf. Während in den Akten zur Planfeststellung nur Routen mit Geradeausabflügen von beiden Startbahnen vorgesehen waren, hat sich nun herausgestellt, dass die Piloten bei den von der Flughafengesellschaft gewünschten parallelen Starts mit ihren Maschinen um mindestens 15 Grad voneinander abweichen müssen. Des Weiteren empört die Protestler, dass dies mindestens seit 1998 intern bekannt war.
In der Vorgeschichte der Flughafenplanung kommen immer weitere Details ans Licht. So hat offenbar der Senat den Bezirk Treptow-Köpenick 2004 gehindert, juristisch gegen den Planfeststellungsbeschluss für den Flughafen vorzugehen – und nutzte dazu auch Drohungen. Das bestätigte der damalige Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht (SPD) am Samstag. Er habe das aber nicht tragisch gefunden. „Es ging uns damals um den Lärmschutz für Einrichtungen wie Schulen und Kitas“, so Ulbricht. „Den wollten wir finanziert haben, im Planfeststellungsbeschluss war das nicht ausreichend vorgesehen.“
Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) habe dann aber zugesichert, dass das Anliegen im Verfahren berücksichtigt werde, und so habe er seinen Klageplan fallen lassen. In einem Brief des Regierenden Bürgermeisters an Ulbricht hieß es: „Sollte der Bezirk dennoch Klage erheben, sehe ich mich veranlasst, Maßnahmen im Wege der Dienstaufsicht gegen Sie einzuleiten.“ Ulbricht sieht darin kein Problem: „Das ist doch normales Geschäft zwischen Senat und Bezirken.“
Weiter streiten oder doch gemeinsam eine Lösung finden: Am Montag wird sich auf der Sitzung der Schönefelder Fluglärmkommission zeigen, welchen Kurs das Gremium bei der Festsetzung der künftigen Routen für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg einschlagen wird. Strittig sind die Anflüge und bei den Starts der Zeitpunkt für das Abbiegen der Maschinen. Auf der nach Angaben von Teilnehmern turbulenten Sitzung am 10. April hatten die Mitglieder ein Votum vertagt. Die Kommission hat dabei nur eine beratende Funktion, steht aber unter Zeitdruck.
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) erwartet „bis Ende Mai ein Beratungsergebnis". Allerdings haben selbst Kommissionsmitglieder Zweifel, ob das zu schaffen ist. Vorsorglich gibt es weitere Termine am 23. Mai und eine Schlussrunde am 6. Juni. Nach einem internen Papier der Kommission für die heutige Sitzung, das dieser Zeitung vorliegt, ist eine Vorentscheidung für nach Westen startende Flugzeuge getroffen. Die Routen sollen sich demnach erst außerhalb des Autobahnrings auffächern, Potsdam und Werder (Havel) dadurch von Fluglärm verschont bleiben, ebenso Wannsee. Dazu heißt es in dem Papier: „Die Überfliegung des Forschungsreaktors Helmholtz-Zentrum soll vermieden werden.“ Auch das Müggelseegebiet soll nicht überflogen, Müggelheim und Erkner entlastet werden. Bei den Anflügen sollen ebenso Potsdam und die Havelseen möglichst geschützt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })