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Brandenburg: Skandal-Forscher

Ermittlungen gegen Bruno Schirra auch in Berlin

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Ermittlungen gegen Bruno Schirra auch in Berlin Potsdam/Berlin - Im Fall Cicero sind die Ermittlungen gegen den Berliner Journalisten Bruno Schirra ausgeweitet worden. Nach der Staatsanwaltschaft Potsdam hat nun die Berliner Staatsanwaltschaft mindestens ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen der Teilnahme am Geheimnisverrat gegen Schirra eingeleitet. Bei der Hausdurchsuchung bei Schirra hatten die Potsdamer Staatsanwälte und die Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg auch andere, als „VS – vertraulich“ deklarierte Unterlagen gefunden – darunter Unterlagen zum Schmiergeldskandal beim Verkauf der einstigen DDR-Raffinerie Leuna an den französischen Mineralölkonzern Elf und Akten des Untersuchungsausschusses des Bundestages zur Parteispendenaffäre der CDU unter Helmut Kohl. Die Berliner Ermittler hatten die Unterlagen unmittelbar nach der Durchsuchung von ihren Potsdamer Kollegen erhalten. Derzeit werde vom Amtsgericht Tiergarten noch geprüft, ob die Potsdamer Ermittler die Unterlagen rechtmäßig beschlagnahmt haben – die Akten waren ein so genannter Zufallsfund der Polizei in Schirras Haus. Sollte die Beschlagnahme rechtens gewesen sein und ein hinreichender Anfangsverdacht bestehen, müsste die Staatsanwaltschaft Berlin Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) um eine so genannte „Ermächtigung“ bitten, in den Reihen des Deutschen Bundestages die Quelle für die Unterlagen aus dem Parteispenden-Ausschuss zu suchen. Doch noch ist völlig unklar, ob es sich bei den bei Schirra beschlagnahmten Akten tatsächlich um reine „Zufallsfunde“ gehandelt hat. Schon kurz nach der Durchsuchung am 12. September hatte es Gerüchte gegeben, BKA und Bundesinnenministerium hätten die Ermittlungen nach dem Cicero-Bericht gezielt ausgelöst, um auch andere Quellen von Schirra aufzuspüren – etwa im Fall Leuna, der anders als in Frankreich in Deutschland bislang zu keinen juristischen Konsequenzen geführt hat. Denn bei der Durchsuchung hatten die Potsdamer Ermittler kistenweise Akten und Recherche-Unterlagen aus Schirras Haus auf der Insel Valentinswerder in Berlin-Reinickendorf mitgenommen, die nachweislich nichts mit dem Cicero-Beitrag über den Terroristenführer Al-Sarkawi zu tun hatten. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wies diesen Verdacht gestern von sich. Die Unterlagen seien als „VS – vertraulich“ gekennzeichnet gewesen, daher habe man sie mitnehmen müssen, um zu klären, ob eine weitere Straftat vorliegt, sagte der Sprecher der Behörde, Dominik Welfens. Schirra selbst bezweifelt inzwischen auch, dass die Durchsuchungen bei ihm nur dem BKA-Dossier gegolten haben. Angesichts des zweiten, in Berlin eingeleiteten Ermittlungsverfahrens, so Schirra gestern gegenüber den PNN, „frage ich mich, ob es nicht gezielte Zufallsfunde waren“ – die Ermittler also von vornherein auch nach den Quellen für andere von Schirra verfasste Artikel und Bücher gesucht haben. „Die Potsdamer Staatsanwaltschaft – oder wer auch immer hinter diesem Rechtsbruch stehen mag - zeichnet sich durch ein merkwürdiges Rechtsverständnis aus“, so Schirra weiter. Das Vorgehen gegen ihn spreche jedem Verständnis von Pressefreiheit Hohn. Die Berliner Ermittler wollen nun erst einmal intern klären, ob die Leuna- und CDU-Schwarzgeld-Unterlagen für Schirra zur Aufdeckung von Skandalen dienten oder hätten dienen können. Ist dies der Fall, hätte er diese besitzen dürfen – anders als im Fall „Cicero“, wo er keinen Skandal aufgedeckte, sondern lediglich den Bürgern bewusst vorenthaltene Staatsgeheimnisse mit Quellenangabe veröffentlicht habe, hieß es in Berlin. Die Berliner Staatsanwaltschaft geht nach PNN-Informationen derzeit davon aus, dass die Ermittlungen gegen Schirra wie wohl auch das Potsdamer Verfahren im Sande verlaufen werden. „Bei solchen Verfahren gegen Journalisten kommt nie etwas heraus, die geben ihre Informanten nicht preis – sonst könnten sie ja auch nicht mehr arbeiten“, sagte ein Ermittler. Den Potsdamer Ermittlern, die bundesweit wegen ihrer Durchsuchungsaktion immer mehr in die Kritik geraten sind, schwant indes, dass „wir wohl nie wissen werden, was tatsächlich abgelaufen ist, ob die Quelle für den BKA-Bericht nicht doch ein ausländischer Nachrichtendienst gewesen ist“, wie ein Ermittler sagt. „Wir wissen nicht, was während des Ermittlungsverfahrens in der Politik, beim BKA und bei den Geheimdiensten“ wegen des BKA-Dossiers über den Terroristenführer Al-Sarkawi „hinter den Kulissen geschieht.“ Gleiches gilt für die Ermittler in Berlin: Auch bei Leuna und CDU-Schwarzgeld-Affäre begebe man sich auf ein Minenfeld, da es bei den Geheimdiensten und in der Politik widerstrebende Kräfte für und gegen die Veröffentlichung der Quellen und der Inhalte der Akten gebe. „Mit welchem Ziel auch immer die Anzeige wegen Geheimnisverrats vom BKA in Potsdam tatsächlich gestellt worden ist – die Staatsanwälte werden am Ende die Verlierer sein und die Prügel einstecken müssen“, sagte ein Ermittler gestern den PNN. Man habe keine Wahl gehabt: Nach der Ermächtigung durch den Innenminister habe man ermitteln müssen: „Hätten wir nichts getan, wäre es Strafvereitelung im Amt.“ Peter Tiede

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