Brandenburg: Sorben wollen die Wahl haben
Vertreter der slawischen Minderheit streben die Gründung eines Parlaments an. Doch dabei ergeben sich einige Probleme
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Cottbus/Bautzen – Brauchen die in Deutschland lebenden Sorben ein eigenes Parlament? „Unbedingt“, sagt Martin Walde. Er ist Sprecher der „Initiative für eine demokratisch legitimierte sorbisch/wendische Volksvertretung – Serbski sejmik“, die sich für eine entsprechende Gesetzesinitiative in den Ländern Brandenburg und Sachsen stark macht.
150 Mitstreiter zähle die Initiative, sagt Martin Walde, unterstützt würde sie aber von weitaus mehr Angehörigen der seit Jahrhunderten in der Lausitz lebenden slawischen Minderheit. Als deren Interessenvertreter gilt bisher die 1912 gegründete Domowina, der Dachverband von Ortsgruppen, fünf Regionalverbänden sowie zwölf überregionalen sorbischen Vereinen mit mehreren tausend Mitgliedern.
Für die Parlaments-Initiative ist die Domowina aber lediglich ein Verein, der sich um den Erhalt der Sprache und Kultur kümmert, aber keine demokratisch legitimierte Vertretung der Sorben, die in Deutschland weitaus mehr Rechte als bisher erhalten müssten.
Deshalb wollen die Aktivisten um Martin Walde sich für ein Wahlgesetz engagieren, dass die Bildung einer gesetzlich anerkannten juristischen Vertretung der Sorben ermöglicht. „Wir haben jetzt beschlossen, länderübergreifend mit allen Fraktionen der brandenburgischen und sächsischen Landtage außer der NPD zu sprechen“, sagt Walde: „Leider hat die Domowina alle unsere Schreiben nicht beantwortet und alle Gespräche mit uns abgelehnt.“
Der Geschäftsführer der Domowina, Bernhard Ziesch, weist diese Vorwürfe vehement zurück. Man habe sich in den vergangenen Jahren sehr wohl mit der Problematik beschäftigt, zumal eine externe Arbeitsgruppe im Auftrag der Stiftung für das sorbische Volk damit beauftragt war. „Wir sind aber zu der Ansicht gekommen, dass die Domowina unter den gegebenen Umständen die beste Vertretung der Sorben ist. Die Sejmik-Leute haben kein schlüssiges Konzept vorgelegt, wie sie Wahlen überhaupt durchführen wollen.“ Tatsächlich würde es für die Wahlen zu einem sorbischen Parlament einige Probleme geben. So dürfen die Angehörigen ethnischer Minderheiten in Deutschland vor allem auch wegen der historischen Erfahrungen nicht erfasst werden. Sorbe ist, wer sich dazu bekennt, aber dieses Bekenntnis darf vom Staat nicht nachgeprüft werden. Genau dies würde aber nach Ansicht vieler geschehen, wenn man Wahllisten für Sorben aufstellen würde. „Das können wir umgehen“, sagt Martin Walde: „Wir legen bei Bundestags- oder Europawahlen in den sorbischen Siedlungsgebieten einfach die Wahlzettel für das sorbische Parlament mit in die Kabinen. Die kann jeder, der sich zum Sorbentum bekennt, ausfüllen.“
Domowina-Geschäftsführer Bernhard Ziesch findet das keine gute Idee: „Da könnten theoretisch auch alle Deutschen mit wählen, es kann ja keiner nachprüfen“, sagt er. Michael Apel, der Sprecher die Initiative für eine sorbische Volksvertretung für die brandenburgische Niederlausitz, ist hingegen der Ansicht, dass dies bei der Domowina nicht anders ist. „Da darf auch jeder eintreten, der sich dazu bekennt, Sorbe zu sein.“ Apel erinnert daran, dass selbst die Bundesregierung der Ansicht sei, dass der Rat der Stiftung für das sorbische Volk nach dem in Auftrag gegebenen Gutachten eine Entscheidung fällen sollte. „Das hat der Stiftungsrat aber nie getan“, sagt Apel: „Er hat das Gutachten nur zur Kenntnis genommen.“
Die Bundesregierung hatte ihre Ansicht auf eine Anfrage von Cornelia Behm und weiteren Abgeordneten der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2010 formuliert. Die grünen Abgeordneten kritisierten, „dass die politische und juristische Vertretung der Sorben/Wenden auch zwanzig Jahre nach der demokratischen Revolution noch immer nicht geregelt sei. Ein Gutachter kam zu der Ansicht: „Eine vereinsmäßige Organisation ist geeignet für die Vertretung konkreter Interessen, aber ungeeignet, ein ,Volk‘ zu repräsentieren. Diese Funktion kann nur eine vom Volk selbst demokratisch legitimierte öffentlichrechtliche Vertretung erbringen.“
Dabei gehe es auch um Transparenz, ergänzen die Kritiker. In der Domowina habe es in den vergangenen Jahren sehr viele Auseinandersetzungen gegeben, viele Menschen seien vor den Kopf gestoßen worden, viele sorbische Institutionen würden nicht mehr miteinander kommunizieren. Sandra Daßler
Sandra Daßler
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