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Brandenburg: Sozialistische Großwirtschaft

Um den Ausverkauf von Ackerflächen an Großinvestoren ist erneut Streit entbrannt. Denn die Preise bei der Privatisierung einstigen Volkseigentums haben sich seit 2007 verdreifacht

Von Matthias Matern

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Potsdam - Ein deutlicher Anstieg der Bodenpreise für Ackerflächen in Brandenburg hat den Streit zwischen der Landesregierung und den Oppositionsparteien CDU und Grüne sowie dem Bauernbund neu über die Agrarpolitik entfacht. CDU-Agrarexperte Dieter Dombrowski und der Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg, Reinhard Jung, werfen Rot-Rot vor, durch ihre Haltung zur EU-Agrarreform und zur Verkaufspraxis der bundeseigenen Bodenverwertungs- und –verwaltungs GmbH (BVVG) den Ausverkauf der Landwirtschaft zu unterstützen. „Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Kappung der Agrarsubventionen für Großbetriebe wurde in Brandenburg von CDU und Grünen unterstützt, von SPD und Linken bekämpft – mit fatalen Folgen“, kritisierte Jung am Freitag. Dombrowski erklärte: „Wir haben die Landesregierung bereits 2011 aufgefordert, den Kauf der BVVG-Flächen vom Bund zu prüfen. Dies wurde jedoch von SPD und Linke angelehnt.“

Wie berichtet beklagen Bauern in Brandenburg bereits seit einigen Jahren, dass sie beim Ankauf von Agrarflächen zunehmend das Nachsehen haben, weil die Hektarpreise dramatisch angezogen haben und sie mit der Finanzkraft auswärtiger geldgeber nicht mehr mithalten können. Allein im vergangenen Jahr sind die Preise pro Hektar in Brandenburg um rund 23 Prozent auf 12 038 Euro gestiegen. Seit 2007 haben sich die Preise sogar verdreifacht. Das hatte die BVVG bereits am Donnerstag mitgeteilt. Zwar verweist die BVVG stets darauf, dass die ehemals volkseigenen Flächen der DDR „überwiegend an ortsansässige Landwirtschaftsbetriebe verkauft“ werden, doch stehen Experten zufolge hinter vielen vermeintlichen Agrargenossenschaften längst große Investoren.

„Oft wird gar nicht direkt Land gekauft, sondern marode Agrargesellschaften“, erläuterte Jung den PNN eine weitere Methode. „Irgendwann steht plötzlich ein neuer Traktor auf dem Hof und dank des Fremdkapitals wird im großen Umfang Land dazugekauft. Die Gewinne der Betriebe aber fließen oftmals aus dem Land.“ Auch bei Erben, die selbst nicht in der Landwirtschaft tätig seien und ihr Stück Land an brandenburgische Bauern verpachtet haben, werde angefragt. Kritik an den Praktiken der Investoren und börsennotierten Unternehmen werde meist jedoch nur hinter vorgehaltener Hand am Kneipentisch laut, berichtete der Bauernbund-Geschäftsführer. „Im Alltag sind die Industriebetriebe oft Nachbarn, die einem das Leben schwermachen können, etwa bei der Abgrenzung von Flurstücken.“

Aus Sicht von Dombrowski und Jung wurde gerade erst wieder eine Gelegenheit verschlafen, der Landnahme durch die Hintertür den Reiz zu nehmen oder diese zumindest deutlich zu schmälern. Eigentlich hatte EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos im Entwurf für die neue Agrarreform eine Kappung der sogenannten Direktzahlungen an die Landwirte vorgesehen. Stattdessen sollte die sogenannte zweite Säule, aus der die EU Maßnahmen der ländlichen Entwicklung und des Umweltschutzes fördert, gestärkt werden. Letztlich waren Ciolos’ Pläne für eine grünere Landwirtschaft in Europa aber auch am Widerstand Deutschlands gescheitert und man einigte sich darauf, dass die Mitgliedsstaaten die Frage einer Begrenzung der Direktsubventionen allein entscheiden sollen. Allerdings hatten sich der Bund und die deutschen Länderminister Anfang November wie berichtet gegen eine Kappung entschieden. Dafür sollen Landwirte für die ersten 46 Hektar eine höhere Förderung bekommen.

Eine Kappung allerdings hätte Jung zufolge zumindest dazu geführt, dass für Agrarinvestoren der Einstieg in die ostdeutschen Agrargenossenschaften „deutlich unattraktiver“ geworden wäre. Der Linke-Agrarexperte Michael Luthardt beklagt allerdings, dass schon der nun verabredete Kompromiss die brandenburgische Landwirtschaft „Zuwendungen von Brüssel in Millionenhöhe“ kosten werde, während der Vorteil auf der anderen Seite weniger kleinen ostdeutschen Bauern, sondern vielmehr den Landwirten in Westdeutschland zugute komme. Jung wirft er vor, gegen die großen Betriebe zu wettern und sich für noch mehr Umverteilung starkzumachen. Mit solchen Forderungen verliere der Bauernbund weiter an Glaubwürdigkeit und „schießt sich in der politischen Debatte ein Eigentor“, erklärte der Linke-Politiker am Freitag. Der Bauernbund-Chef dagegen ätzte zurück: „Statt sich um unsere Glaubwürdigkeit Sorgen zu machen, sollte Herr Dr. Luthardt vielleicht irgendwann mal erkennen, dass seine schönen Agrargenossenschaften immer häufiger von auswärtigen Kapitalinvestoren aufgekauft werden. Aber vielleicht sieht er darin ja sogar einen Beweis für die Überlegenheit der sozialistischen Großlandwirtschaft.“

Auch Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Landtag, hält die rot-rote Unterstützung der „subventionsoptimierten Großbetriebe“ für ungesund und Luthards Klage für unberechtigt. „Mehr als 50 Prozent aller Betriebe in Brandenburg sind kleiner als 50 Hektar. Zudem erhalten schließlich alle, ob groß oder klein, weiterhin Unterstützung“, gab Vogel zu bedenken. Statt den Einfluss von Großaktionären in der Landwirtschaft zu stärken, solle die rot-rote Landesregierung lieber den bäuerlichen Nachwuchs fördern. Schließlich verkaufe die BVVG im Auftrag Brandenburgs auch landeseigene Agrarflächen. „Es wäre doch ein Leichtes, diese Flächen herauszuziehen und für ein Jungbauern-Programm zur Verfügung zu stellen“, sagte der Fraktionschef.

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