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Brandenburg: SPD gibt Stadt Brandenburg verloren

Über Affäre gestürzter Ex-Polizeichef kandidiert

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Brandenburg/Havel - Alles war vergeblich: Brandenburgs SPD-Landeschef Matthias Platzeck hat sich nach PNN-Informationen hinter den Kulissen persönlich dafür eingesetzt, für die in einigen Monaten stattfindende Oberbürgermeisterwahl in der Stadt Brandenburg an der Havel einen unverbrauchten, integren, angesehenen Kandidaten für seine Partei zu gewinnen, mit dem die SPD wenigstens eine Chance hätte, die frühere Hochburg zurück zu erobern, die die CDU-Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann seit 2003 regiert und seit damals aufwärts geführt hat. Doch Platzeck hatte, auch in persönlichen Telefonaten mit parteilosen Honoratioren der Stadt, Absagen erhalten.

Am Dienstag präsentierte der Unterbezirksvorstand der SPD, der von Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher geführt wird, der wiederum sein neues Landes-Amt für so wichtig hält, dass er nicht selbst in den Ring gehen kann, stattdessen als OB-Kandidaten einen alten Bekannten, der gegen Tiemann schon einmal verlor: Es ist der Ex-Ordnungs-Dezernent und Ex-Polizeichef der Stadt Norbert Langerwisch, einst Chef der Zentralen Kriminalpolizeilichen Dienste im Land. Er war bis 2005 Vize-Bürgermeister im Rathaus, bis er über eine Affäre stürzte, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Fahnder hatten bei einer Razzia bei einem stadtbekannten Drogendealer – nach der für Tiemann siegreichen, für die SPD desaströsen Wahl – hunderte Wahlzettel zu Gunsten Langerwischs entdeckt. Später stellte sich heraus, dass der Drogendealer ein Informant des Ex-Polizeichefs war, der wegen der Ermittlungserfolge weithin anerkannt war. Langerwisch wurde abgewählt, weil er Kontakte zu dem Mann zunächst bestritt, später aber einräumen musste. Seit dem Rücktritt engagiert sich Langerwisch weiter für die SPD kommunalpolitisch, ist Fraktionschef im Rathaus, in der Stadt akzeptiert. Auch in den Polizeidienst des Landes klagte sich Langerwisch, der unter Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) wegen der Affäre suspendiert worden war, zurück. Er ist seit 2009 wieder beim Zentraldienst der Polizei in einer Arbeitsgruppe für Digitalfunk tätig. Der Drogendealer und einstige Langerwisch-Informant ist weiter in Haft. In der Landes-SPD wird die Kandidatur des 58-jährigen Langerwisch, der bei einem Parteitag des Kreisverbandes am 19.März nominiert werden soll, trotz der geringen Erfolgsaussichten dennoch als das „kleinere Übel“ angesehen. Mit Duldung Holzschuhers hatten die größten Ortsverbände der Stadt nämlich zunächst versucht, den wegen einer verheimlichten Tätigkeit für den DDR-Staatssicherheitsdienst zurückgetretenen SPD-Lokalpolitiker Ralf Stieger ins Rennen gegen Tiemann zu schicken. Nach Interventionen aus dem von Platzeck geführten Landesverband, der eine Neuauflage der Stasi–Debatte um Rot-Rot fürchtete, sagte Stieger ab.

Brandenburg war früher einmal die sozialdemokratische Hochburg Brandenburgs. Während der Weimarer Republik wurde hier etwa unter SPD-Ratsherren der soziale Wohnungsbau in Deutschland erfunden. Die Christdemokratin Tiemann hatte 2003 die Oberbürgermeisterwahl gegen alle Trends gewonnen, nachdem in der Stadt unter Verantwortung von SPD-Ratsherren Misswirtschaft und Frust im Wahlvolk herrschte. SPD-Bundestagsfraktionschef und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat hier seinen Wahlkreis. Thorsten Metzner

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