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Von Alexander Fröhlich: SPD-Kreischefs für neuen Führungsstil

Nachwuchskräfte erklären Partei-Ära kleiner Machtzirkel für beendet und fordern neue Debattenkultur

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Potsdam - Der Nachwuchs der Brandenburger Landes-SPD will die nach dem Rücktritt des Parteistrategen und Ex-Innenministers Rainer Speer brüchig gewordenen Machtstrukturen weiter aufweichen – vermeidet aber einen Frontalangriff auf den immer noch angesehenen, für einsame Entscheidungen bekannten Landesvorsitzenden, Ministerpräsident Matthias Platzeck. Die Chefs der drei einflussreichen Unterbezirke von Potsdam, Potsdam-Mittelmark und Teltow-Fläming fordern im Vorfeld der Sitzung des Landesvorstandes am Montag zum „Leitbild 2030“ eine neue Diskussionskultur in der Landespartei, womit sie das bisherige Führungssystem in Frage stellen. Es müssten alte Denkmuster aufgebrochen werden, sagte der SPD-Kreischef von Potsdam-Mittelmark, Sören Kosanke. Vorschläge einzelner Mitglieder der Partei seien oft als Angriff auf die Führung interpretiert worden. Dabei gehe es um eine „klimatische Frage“. Im Landesvorstand und in der Landtagsfraktion müsse „offener und kontroverser diskutiert“ werden.

Tatsächlich richtet sich der Vorstoß der bereits als Partei-Rebellen titulierten Unterbezirkschefs gegen Generalsekretär Klaus Ness und die bisherige Praxis, Entscheidungen in kleinen Machtzirkeln zu treffen. Zugleich bringen sich die Nachwuchskräfte damit für die nächste Wahlperiode ab 2014 selbst in Stellung.

Bereits vor gut einem Jahr hatten Kosanke (34) und Potsdams SPD-Chef Mike Schubert (38) mit einem Antrag zu einem Neuanlauf für eine Fusion von Berlin und Brandenburg für Aufsehen gesorgt, während Platzeck und Ness damals eine Debatte darüber für unnötig erklärt hatten. Einem von Ness vorgesehenen Förderprogramm für den Parteinachwuchs setzen sie einen eigenen Entwurf entgegen, der nun teilweise umgesetzt wird. Als die Parteispitze hilflos und unentschieden auf die Proteste gegen Fluglärm und neue Flugrouten am BBI Schönefeld reagierte, drückten sie durch, dass die Landes-SPD ein Nachtflugverbot, eine Lärmabgabe für Umlandgemeinden und Entschädigungen fordert. Neben Kosanke und Schubert gehört der Bürgermeister von Ludwigsfelde und SPD-Kreischef von Teltow-Fläming, Frank Gerhard, zu dem Trio.

Anlass für den Vorstoß ist die von Platzeck initiierte „Leitbilddebatte 2030“ zur Zukunft Brandenburgs, das mit Bevölkerungsschwund und drastisch schrumpfenden Kassen zu kämpfen hat. Schubert, der vor drei Jahren die Potsdamer SPD mit einer breiten Programmdebatte aus der Krise geführt hatte und nun von Platzeck mit der Leitbild-Aufgabe betraut wurde, will dem Parteivorstand am Montag seine Strategie vorstellen. „Statt einer kleinen Gruppe“, die ein Leitbild aufschreibt, soll die Basis breit beteiligt werden, heißt es in einem Brief der drei Kreischefs an alle Parteimitglieder. Die geplante Kommission werde keine „Potsdam-zentrierte Runde“. Dieser Weg sei für die SPD „eine große Chance“ zur inhaltlichen und personellen Erneuerung und zu „neuen Arbeitsformen“, heißt es darin. Es gehe um einen breiten Diskurs über 2011 hinaus, um die SPD für die Landtagswahl 2014 breit aufzustellen.

Kosanke und Schubert kritisierten zudem das Krisenmanagement in Partei und Landtagsfraktion bei den Unterhalts- und Dienstwagenaffären von Ex-Innenminister Speer und Ex-Bildungsminister Holger Rupprecht. Damit stellen sie auch den als schwach empfundenen Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher in Frage, der in beiden Fällen eine klare Position lange vermieden hatte. „Diese Zitterpartie hätte man der Partei ersparen können“, so Kosanke. Diese Fehler seien „nicht geeignet, Vertrauen zu steigern“. In der Allrad-Affäre hätte sich Schubert eine „aktive Diskussion in der Partei gewünscht, dafür haben wir einen Generalsekretär und eine Parteispitze“. Schließlich habe Platzeck das Problem allein geregelt, aber „zu solchen Themen dürfen sich mehr als nur eine Person äußern“. Diese Kritik ist nicht neu: Selbst SPD-Abgeordnete nennen die SPD-Fraktion einen „Abnickverein“.

Generalsekretär Ness wollte die Initiative des Trios nicht als Angriff verstanden wissen. „Es gibt keinen Konflikt. Das ist ein Stimmungsbild von der Basis.“ Die SPD wolle stärkste Partei im Land bleiben, dazu sollen die „Jüngeren stärker eingebunden werden“.

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