Brandenburg: SPD provoziert Eklat in Enquete zur SED-Diktatur Neuer Gutachten-Streit: Wissenschaftler Schroeder fordert Rücktritt des SPD-Mitglieds Günther
Potsdam - Eklat in der Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur im Land Brandenburg: Das Enquete-Mitglied Prof. Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat hat am Freitag den Rücktritt des SPD-Abgeordneten Thomas Günther als Enquete-Mitglied gefordert, nachdem dieser gegen die internen Regularien des Gremiums mit Einwänden gegen ein neues, noch unveröffentlichtes Gutachten des FU-Wissenschaftlers Steffen Alisch zum DDR-Geschichtsbild brandenburgischer Parteien und ausgewählter Verbände (DGB und IHK) an die Öffentlichkeit gegangen war – über ein Hintergrundgespräch mit einigen Journalisten.
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Potsdam - Eklat in der Enquete-Kommission zum Umgang mit der SED-Diktatur im Land Brandenburg: Das Enquete-Mitglied Prof. Klaus Schroeder vom Forschungsverbund SED-Staat hat am Freitag den Rücktritt des SPD-Abgeordneten Thomas Günther als Enquete-Mitglied gefordert, nachdem dieser gegen die internen Regularien des Gremiums mit Einwänden gegen ein neues, noch unveröffentlichtes Gutachten des FU-Wissenschaftlers Steffen Alisch zum DDR-Geschichtsbild brandenburgischer Parteien und ausgewählter Verbände (DGB und IHK) an die Öffentlichkeit gegangen war – über ein Hintergrundgespräch mit einigen Journalisten. Dies sei ein „ungeheuerlicher Verstoß gegen die vereinbarten Regeln der Arbeit in unserer Kommission“, heißt es in einem Brandbrief Schroeders. „Unabhängig davon, ob die Kritik von Herrn Günther berechtigt ist, hat er sich aus meiner Sicht für die weitere Mitarbeit in der Enquete-Kommission disqualifiziert“.
Sollte die SPD an Günter als Enquete-Mitglied festhalten, „werde ich mit ihm die Zusammenarbeit aufkündigen.“ Schroeder und Günther sind Berichterstatter für das Themenfeld und damit für die erste Abnahme des Gutachtens zuständig.
Zuvor hatte Günther Medien und in einem Brief der Kommission mitgeteilt, dass er als zuständiger parlamentarischer Berichterstatter der Enquete empfehle, das 130-Seiten-Gutachten zum DDR-Bild politischer Parteien und Verbände in der vorliegenden Fassung nicht zu akzeptieren und eine Nachbesserung zu verlangen. Günther sprach von einer polemischen „Streitschrift“. Günther verweist darauf, dass die Landtagsverwaltung als offizieller Vertragspartner des Gutachters zu ähnlichen Einschätzungen gekommen war und um Nachbesserungen gebeten hatte. Dies habe jedoch die Einwände und Hinweise „nicht oder nur in geringem Maße berücksichtigt.“ Den Vorstoß begründete er mit der nach Mängeln bei bisherigen Gutachten nötigen höheren „Qualitätsmesslatte“. Unterstützung bekam Günther vom SPD-Sachverständigen Ingo Juchler, der ebenfalls der Auffassung ist, dass der Verfasser handwerklich unsauber gearbeitet habe.
Das Vorgehen von Günther und der SPD treibt die Enquete-Kommission zur SED-Diktatur nach einigen Wochen Ruhe in eine neue Krise, nachdem es schon um frühere Gutachten heftige Auseinandersetzungen gab. Dass Günther zudem den Eindruck vermittelt hatte, als habe Schroeder selbst Alisch mit Gutachten beauftragt – und damit einen Kollegen vom Forschungsverbund SED–Staat – erbost den FU-Wissenschaftler noch mehr. Es sei schließlich ein gemeinsamer Vorschlag der damaligen Enquete-Vorsitzenden Klara Geywitz (SPD) und Schroeders gewesen, dem die Kommission einstimmig gefolgt war.
Die Opposition reagierte entsetzt. In einer gemeinsamen Erklärung warfen die Enquete-Mitglieder Linda Teuteberg (FDP) und Grünen-Fraktionschef Axel Vogel der SPD Sabotage der Kommmission und eine „Rufmordkampagne gegen unbequeme Wissenschaftler“ vor. Sie wollen den Affront in der Sitzung des Gremiums kommende Woche auf die Tagesordnung setzen lassen. Das Vorgehen sei „ein neuer trauriger Höhepunkt sozialdemokratischer Versuche, die Arbeit der Enquetekommission des Landtages in Misskredit zu bringen“, so Vogel und Teuteberg.
Obwohl Herr Günther als Berichterstatter persönlich für die Betreuung des von ihm angegriffenen Wissenschaftlers die Verantwortung trage, habe er seine Einwände zu dessen Arbeit zunächst an einen ausgewählten Kreis von Journalisten lanciert, „anstatt die Diskussion mit dem Gutachter selbst zu führen oder konkret gegenüber der Kommission zu formulieren.“ Und dies sei zudem zu einem Zeitpunkt geschehen, zu dem es den übrigen Mitgliedern des Gremiums noch gar nicht möglich war, sich mit dem von ihm kritisierten Gutachten zu beschäftigen. Scharfe Kritik kam auch von der CDU. Das SPD-Vorgehen sei ihm „außerordentlich suspekt“, erklärte Enquete-Mitglied und Generalsekretär Dieter Dombrowski. (mit dapd)
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