Von Thorsten Metzner: SPD stellt „unverhandelbare“ Bedingungen für Koalition
Sozialdemokraten wollen Mindestlohn-Regelung und Schülerbafög durchdrücken. Geld gibt es eigentlich nicht dafür – aber ein Milliardenloch im Etat 2010
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Potsdam - Die neue Regierungskoalition in Brandenburg wird sich mit einer dramatisch verschlechterten Finanzlage auseindersetzen müssen. Nachdem das Land in den letzten zwei Jahren keine neuen Kredite aufzunehmen brauchte, klafft nun in den Vorentwürfen für den Haushalt 2010, der wieder Ausgaben von zehn Milliarden Euro umfasst, eine Deckungslücke von rund einer Milliarde Euro. Dies bestätigte Finanzminister Rainer Speer (SPD) am gestrigen Dienstag auf Anfrage. Hintergrund seien unter anderem sinkende Steuereinnahmen wegen des Konjunktureinbruchs. Auch das Einlösen von Wahlversprechen, egal ob es eine SPD/CDU-Koalition oder ein rot-rotes Bündnis geben wird, müsse einkalkuliert werden, sagte der Finanzminister.
Die Finanzpolitik der nächsten Jahre wird damit zu einer zentralen Frage im Koalitionspoker. Am Donnerstag will Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) zuerst mit den Linken, und danach mit der CDU Sondierungsgespräche führen. Gestern stellten der alte, neue SPD-Fraktionschef Günter Baaske und Generalsekretär Klaus Ness schon einmal klar, an welche Forderungen die SPD nicht rütteln lassen will. Dabei handelt es sich um ein Vergabegesetz, das öffentliche Aufträge an einen Mindestlohn von 7,50 Euro bei beauftragten Firmen koppelt und ein neues „Schülerbafög“ für Gymnasiasten aus bedürftigen Familien von monatlich 110 Euro. Gesetzesentwürfe liegen dafür aus der letzten Wahlperiode vor, die damals am Veto der CDU gescheitert waren. Beides sei „unverhandelbar“, betonten Ness und Baaske.
In beiden Fragen gibt es schon jetzt Einigkeit mit den Linken, während die CDU zwar das Schülerbafög akzeptieren kann, aber beim Mindestlohn Schwierigkeiten hat. Außerdem wird die SPD, so Ness und Baaske, keine neuen Begabtenklassen an Gymnasien akzeptieren. Die CDU fordert bisher eine Verdopplung dieser Klassen, in denen man schon ab der 4. Klasse aufs Gymnasium wechseln kann – statt nach der 6. Klasse.
Allerdings richtet die SPD auch an die Linken eine Bedingung: Zur Fortführung der bisherigen Energiepolitik, die auch langfristig auf einen Mix aus einer mit Hilfe der CCS-Technologie dann klimafreundlicheren Braunkohleverstromung und erneuerbaren Energien setzt, gebe es „keine Alternative“, sagte Baaske. Die Linken treten dagegen für einen Ausstieg aus der Braunkohle bis zum Jahr 2040 ein. Allerdings gehört dies nicht zu den 15 ausgewählten Schlüsselprojekten, die die Linke als Bedingungen für Rot-Rot in ihrem Wahlprogramm ausgewiesen hatten: Die entsprechen wie Mindestlohn, mehr Lehrer, mehr Kita-Erzieher der Richtung von SPD-Forderungen, wobei die Linke die SPD in der Zahl geforderter Stellen übertrumpft. Für die Identität der Linken, die im Wahlkampf auf soziale Verwerfungen im Land aufmerksam gemacht hatten, sind wohl die 15000 Jobs in einem neuen öffentlich-geförderten Beschäftigungssektor wie in Berlin entscheidend, wobei die SPD selbst 7500 solche Jobs schaffen will.
Platzeck hatte nach dem SPD-Wahlsieg klargestellt, dass auch „Rot-Rot eine ernsthafte Option ist.“ Nach PNN-Recherchen ist dies nicht nur ein Lippenbekenntnis. Vor der Wahl galt zwar eine Fortführung von Rot-Schwarz als ausgemacht. Doch hat sich jetzt unter anderem ein Faktor verändert, der für die angestrebte „stabile, tragfähige Regierung für fünf Jahre“ entscheidend ist: Eine SPD/CDU-Koalition hätte im Landtag nur eine Mehrheit von fünf Stimmen (bisher acht Stimmen), denen mit Linken, FDP und Grünen eine schlagkräftigere Opposition gegenüberstünde. Schon in der letzten Legislatur musste etwa die Reduzierung der Amtsgerichte – die Pläne sind nicht vom Tisch – auf Eis gelegt werden, weil die Koalitionsmehrheit wegen Abweichlern bei SPD und CDU nicht gesichert war. Mit Aufmerksamkeit wird auch deshalb in der SPD-Führung beobachtet, ob in der Union, die trotz Bundesrückenwind und einer seit Januar unter der neuen Chefin Johanna Wanka demonstrierten Geschlossenheit unter die 20-Prozent- Marke gefallen war, jetzt neue Spannungen ausbrechen.
In der SPD selbst hat Platzeck, dem die Partei dem Sieg zu verdanken hat, freie Hand. Dafür gibt es andere Erwartungen und Begehrlichkeiten. So fordern Kommunalpolitiker bereits, dass das Innenministerium – Anwärter ist Finanzminister Speer – von der SPD geführt wird. Und im Landesvorstand am Montag machte die SPD-Frauenvertretung Druck, dass die SPD künftig zwei Frauen – bisher war es eine – ins Kabinett schickt.
Die Regierungsbildung wird für Ministerpräsident Matthias Platzeck, so oder so, eine heikle Operation.
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