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Brandenburg: Staatsanwalt ermittelt gegen Gemeindereformgegner

Aufwandsentschädigung, Satire oder Stimmenkauf? Für Unterzeichner des Volksbegehrens lobte der „Gemeindetag“ eine Geldprämie aus

Teupitz. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin ermittelt gegen das Protestbündnis gegen die Gemeindereform von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU). Das Bündnis steht im Verdacht, Stimmen für sein Volksbegehren gekauft zu haben. Der „Brandenburgische Gemeindetag“, so nennt sich das Bündnis, sieht sich durch das Ermittlungsverfahren diskriminiert: „Es gab keinen Stimmenkauf beim Volksbegehren“, sagte Präsident Karsten Kuhl gegenüber dem Tagesspiegel.

Der Teupitzer Bürgermeister und CDU-Kommunalpolitiker sprach von einem „politischen Verfahren“, mit dem offensichtlich der Widerstand gegen die vom Landtag beschlossenen Zwangsfusionen „und das laufende Volksbegehren diskreditiert werden sollen.“ Justizministerin Barbara Richstein wies dies als „Unsinn“ zurück. Die Staatsanwaltschaft müsse bei Hinweisen auf Straftaten tätig werden.

Auslöser der Ermittlungen ist eine umstrittene Aktion des Gemeindetages, die neuen Schwung in das noch bis 16. März laufende Volksbegehren bringen sollte – erst 40000 von benötigten 80000 Stimmen zur Erzwingung eines Volksentscheides sind gesammelt. Jedem hundertsten Unterzeichner des Begehrens wurde eine Prämie von 100 Euro in Aussicht gestellt, ein „Kopfgeld für die Demokratie“. Das Geld sollte aus Spenden kommen. Was als originelle politisch-satirische Anspielung auf die „Ziel-Prämie“ des Innenministeriums gedacht war, mit der freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden mit rund 1000 Euro je Einwohner belohnt wurden, ging einigen offenbar zu weit: Landeswahlleiter Peter Kirmße, früher Polizeipräsident in Oranienburg, forderte den Gemeindebund auf, „die Auslobung von Geldprämien für eine Unterschrift unter das Volksbegehren unverzüglich einzustellen“. Das Vorgehen des Gemeindetages verstoße gegen das im Strafgesetzbuch verankerte Verbot des Stimmenkaufs und des Stimmenverkaufs und könne zur Unwirksamkeit des Volksbegehrens führen. Verstöße können mit Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Die Warnung Kirmßes hat der Gemeindetag, der rund 150 Mitgliedsorte hat, offenbar unterschätzt: Präsident Karsten Kuhl gesteht ein, dass die Pressemitteilung für die Aktion missverständlich gewesen sei, was der Gemeindetag in einem klarstellenden Antwortschreiben an Kirmße vom 12. Februar auch bedauert habe: Es seien weder Stimmenkauf noch Prämienzahlungen erfolgt, heißt es. Es gehe vielmehr um eine „Aufwandsentschädigung“ – „gemeint ist der für viele Bürger erhebliche Aufwand, die mitunter bis 30 Kilometer entfernten Eintragungsstellen zu erreichen“.

Für den Landeswahlleiter – und offenbar auch die Staatsanwaltschaft – macht dies offenbar keinen Unterschied. „Es kann nicht angehen, dass Stimmen gekauft werden“, sagt auch Heiko Homburg, Sprecher des Innenministeriums. Im Übrigen zeige die Aktion, dass das Volksbegehren schon in den Anfängen stecken bleibe, wenn der Gemeindetag zu solchen Mitteln greifen müsse. Der SPD-Innenpolitiker Werner-Siegwart Schippel hält die Argumentation einer „Aufwandsentschädigung“ für „noch hanebüchener“ und begrüßte ausdrücklich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zur Klärung. „Das ist in Ordnung.“ Der CDU-Politiker Sven Petke rechnet damit, dass mit dem versuchten Stimmenkauf dem Volksbegehren „der Todesstoß“ versetzt wurde. Wer so fragwürdig vorgehe, schade der Demokratie.

Die Ermittlungen nimmt Gemeindetag-Präsident Karsten Kuhl jedenfalls ernst – aus Misstrauen: Sein Vertrauen in die Unabhängigkeit der Gewalten sei nach der jüngsten Trennungsgeld-Affäre erschüttert. Zumal in Brandenburg die „politische Nähe von Entscheidungsträgern“ auffällig sei. Was er damit meint? Derzeit laufe gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren der Brandenburger CDU, weil er bei der Kommunalwahl als Einzelbewerber gegen die CDU antrat. Jetzt habe ihn Matthias Dombert, der Vorsitzende des CDU-Parteigerichts um Stellungnahme gebeten. Dombert sei jedoch auch Richter im Verfassungsgericht, das über rund 200 Klagen von Gemeinden gegen Zwangsfusionen zu entscheiden hat.

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