Brandenburg: Staatsanwalt ermittelt gegen Herzzentrum Kritik an Kriterien für eine Transplantation
Berlin - Die Manipulationsvorwürfe gegen das Deutsche Herzzentrum bei der Organvergabe beschäftigen weiter die Berliner Staatsanwaltschaft. Man habe ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags eingeleitet, bestätigte Sprecher Martin Steltner.
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Berlin - Die Manipulationsvorwürfe gegen das Deutsche Herzzentrum bei der Organvergabe beschäftigen weiter die Berliner Staatsanwaltschaft. Man habe ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags eingeleitet, bestätigte Sprecher Martin Steltner. „Konkret geht es um die Manipulation der Prioritätenliste für Transplantationen.“ Näher wollte er sich nicht äußern. Wie berichtet hat eine Prüfkommission von Bundesärztekammer, Krankenhausgesellschaft und Kassen 28 auffällige Vorgänge beanstandet.
Patienten sollen zwischen 2010 und 2012 in bis zu 28 Fällen hoch dosierte, herzstärkende Medikamente bekommen haben, ohne dass dies ausreichend begründet worden sei. Solche Mittel, vor allem Katecholamine, werden in höheren Dosen verabreicht, wenn sich der Zustand von Patienten verschlechtert. Die Medikamente könnten, so der vorläufige Verdacht, eingesetzt worden sein, damit Patienten auf den Wartelisten für Spenderherzen vorrücken und somit eher berücksichtigt werden.
2013 wurde in Deutschland 313 Patienten mit hochgradiger Herzschwäche in 24 Kliniken ein Spenderherz eingesetzt. Im gleichen Zeitraum wurden 573 Kranke bei der Stiftung Eurotransplant für eine Transplantation angemeldet. Eurotransplant koordiniert die Vergabe von Organen in den Beneluxländern, Deutschland, Österreich, Kroatien, Slowenien und Ungarn. In der Regel werden Patienten zunächst als „transplantabel“ gemeldet. Verschlechtert sich ihr Zustand und wird akut lebensbedrohlich, wechselt der Patient in die höchste Dringlichkeitsstufe „High Urgency“ (HU).
Patienten mit HU-Status werden vorrangig transplantiert. Es handelt sich um Schwerkranke, die auf der Intensivstation behandelt werden und bei denen selbst kreislaufstärkende Katecholamine nicht den gewünschten Effekt bringen. Die Gabe von Katecholaminen ist also wesentlich, damit ein Patient den HU-Status bekommt. Wer auf die HU-Liste kommt, entscheiden unabhängige Gutachter von Eurotransplant.
Welche Maßstäbe bei der Organvergabe zu gelten haben, ist immer noch umstritten. Laut Transplantationsgesetz sollen neben medizinischer Dringlichkeit auch die Erfolgsaussichten berücksichtigt werden. Das aber geschehe nicht ausreichend, monieren manche Mediziner. Das Spenderorgan bekomme der am schwersten erkrankte Patient – nicht jener, der vielleicht am ehesten profitieren würde. Ein Beispiel: Patienten auf der Warteliste bekommen häufig eine Kreislauf-Unterstützungspumpe eingesetzt. Damit können sie Monate oder Jahre überbrücken, bis ein Organ verfügbar ist oder sich ihr Herz wieder erholt hat. Trotzdem kann sich in dieser Zeit ihr Allgemeinzustand verschlechtern. Die Patienten magern ab, erleiden Organschäden und sind auf etliche Medikamente angewiesen. Gleichzeitig kann ein junger, ansonsten gesunder Patient mit einer Pumpschwäche des Herzens, etwa wegen einer Virusinfektion, auf der Warteliste hinter einem älteren Schwerkranken mit Kreislaufpumpe stehen. „Ein Arzt könnte dann den Impuls haben, das Herz lieber dem jungen Patienten geben zu wollen“, sagt ein Insider. Das sei „nicht zu rechtfertigen, aber ein verständlicher Reflex“.
Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) erklärte am Freitag, er könne die Vorgänge erst beurteilen, wenn „die selbstständig und unabhängig arbeitende Prüfungskommission der Bundesärztekammer“ ihre Untersuchung abgeschlossen habe. Das soll bis Anfang September dauern. Timo Kather, Werner van Bebber, Hartmut Wewetzer
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