zum Hauptinhalt

Brandenburg: Start auf holpriger Piste

Planungspannen, Pleiten, Proteste und Gerichtsschlappen: Der Bau des neuen Hauptstadtflughafens war von Beginn an ein Hindernislauf

Stand:

Die Verschiebung des Eröffnungstermins für den Großflughafen „Willy Brandt“ in Schönefeld setzt den vorläufigen Schlusspunkt einer Serie von Pleiten, Pech und Pannen bei der Planung des neuen Hauptstadt-Airports. Umstritten war bereits die Standortentscheidung. Obwohl eine Mehrheit der Fachleute den Standort Sperenberg 70 Kilometer südlich von Berlin favorisierte, fassen die Länder Berlin und Brandenburg im Mai 1996 gemeinsam mit dem Bund den „Konsensbeschluss“ über den Bau des Hauptstadtflughafens im Süden des ehemaligen DDR-Zentralflughafens Schönefeld. Der Senat bittet daraufhin um Bundesunterstützung für eine Verlängerung der U-Bahnlinie 7 von Rudow zum geplanten Airport. Die Pläne werden später verworfen. Auch aus den Plänen, vom geplanten neuen Berliner Hauptbahnhof eine Transrapid-Verbindung nach Schönefeld zu bauen, wird nichts.

Das ursprüngliche Vorhaben, den Flughafen vollständig von privater Hand erbauen und später betreiben zu lassen, scheiterte ebenfalls bereits im ersten Anlauf. Das Brandenburgische Oberlandesgericht kassiert den Vergabebescheid an ein Konsortium um den Baukonzern Hochtief wegen Verfahrensfehlern.

Neue Investoren bewerben sich und schließen 2002 eine Grundsatzvereinbarung mit den Ländern. Es bleibt aber zunächst bei den Plänen, den neuen Flughafen vollständig privatisiert zu bauen. Aber auch das zerschlägt sich 2003, weil die neuen Investoren nach Ansicht der damaligen Gesellschafter finanzielle Risiken auf Bund und Länder abwälzen wollen. Daher wird der Flughafen in öffentlicher Trägerschaft gebaut. Schon zu diesem Zeitpunkt ist der ursprünglich anvisierte Eröffnungstermin 2008 nicht mehr zu halten.

Zu den finanziellen Risiken der Gesellschafter kommen rasch juristische Probleme. Im April 2005 verhängt das Bundesverwaltungsgericht einen vorläufigen Baustopp, nachdem fast 4000 Flughafengegner Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss eingereicht haben. Im März 2006 genehmigen die Richter dann den Ausbau Schönefelds unter strengen Nachtflugauflagen. Am 30. Oktober 2008 wird der Flughafen Tempelhof geschlossen, nachdem ein Volksentscheid für den Weiterbetrieb am notwendigen Quorum gescheitert ist.

Im Oktober 2011 genehmigt das Bundesverwaltungsgericht letztinstanzlich den Planergänzungsbeschluss. Er sieht ein strenges „Lärmschutzkonzept“ vor, demzufolge zwischen 0 und 5 Uhr keine regulären Flüge erlaubt sind. In den sogenannten Randflugzeiten zwischen 23.30 und 24 Uhr sowie zwischen 5 und 5.30 Uhr sind nur verfrühte oder verspätete Flüge möglich. Eigentlich soll zu diesem Zeitpunkt der neue Flughafen schon eröffnet sein. Doch nur wenige Wochen vor der geplanten Inbetriebnahme gesteht der Bauträger eine neuerliche Verzögerung ein. Als Grund wird der harte Winter 2009/10 angegeben. Hinzu kommt die Insolvenz eines Planungsbüros. Als neuer Eröffnungstermin wird der 3. Juni 2012 genannt – der am gestrigen Dienstag wegen mangelnder Zeit für die Überprüfung der Brandschutzanlagen gekippt wurde. Der Streit um die künftigen An- und Abflugrouten löst ab September 2010 eine Protestbewegung gegen die Flughafenplanung aus, nachdem die Deutsche Flugsicherung (DFS) erstmals ihre konkreten Pläne für die Linienführung der Maschinen vorstellt. Zahlreiche neue Bürgerinitiativen gründen sich in Berlin, Potsdam und vielen betroffenen Umlandgemeinden. Die DFS überarbeitet daraufhin ihre Routenpläne. Am 4. Juli 2011 stellt sie das Ergebnis vor. Während dicht besiedelte Gebiete wie Potsdam und der Südwesten Berlins entlastet werden sollen, wird nun erstmals eine alternative Streckenführung über den Müggelsee vorgeschlagen. Die Proteste bündeln sich seither in Friedrichshagen. Auch die Flugroutenplanung geht in die entscheidende Phase. Am 26. Januar 2012 stellt das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung die gültigen Flugrouten vor. Diese sollen ab Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens ein halbes Jahr lang getestet und später eventuell korrigiert werden. Vor eine weitere Herausforderung stellt die Flughafengesellschaft der Lärmschutz für die betroffenen Anwohner. Rund 25 000 Haushalte haben Anspruch auf Schallschutz. Doch nur ein Bruchteil der Maßnahmen ist bisher umgesetzt. PNN/dapd

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })