Brandenburg: Steuergelder für Parteiapparate keine Ausnahme
Auch bei SPD und Linken sind Mitarbeiter von Abgeordneten gleichzeitig Partei-Geschäftsführer. Experten sehen Trend kritisch
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Potsdam - Der Fall des Landtagsabgeordneten und designierten CDU-Generalsekretärs Steeven Bretz aus Potsdam um verdeckte Parteifinanzierung ist in Brandenburg keine Ausnahme. Nach PNN-Recherchen gibt es auch Abgeordnete der Regierungsparteien, etwa SPD-Fraktionschef Klaus Ness oder den Linken Thomas Domres, bei denen ihre vom Landtag bezahlten Mitarbeiter im Wahlkreis dort gleichzeitig Geschäftsführer der Kreispartei sind. Bei Ness ist es Dahme-Spreewald, bei Domres die Prignitz. Die Praxis, durch diese Hintertür aus Steuergeldern den Parteiapparat der Landtagsparteien maßgeblich mitzufinanzieren, halten Experten wie Brandenburgs früherer Rechnungshofpräsident Thomas Apelt oder der Parteienexperte Martin Morlok von der Universität Düsseldorf trotzdem für bedenklich.
„Das ist problematisch“, sagte Apelt am Freitag den PNN. „Grundsätzlich gilt: Parteiarbeit darf nicht durch solche Konstruktionen finanziert werden.“ Abgeordnete würden die Wahlkreismitarbeiter schließlich nicht vom eigenen Geld bezahlen, „es ist Geld vom Landtag“. Apelt hatte nach eigenen Worten einmal in der eigenen Familie einen ähnlichen Fall. Auf seine Empfehlung habe man dann auf eine strikte, nachvollziehbare Trennung geachtet. Es müsse ganz klar sein, wann „der Mitarbeiter für den Abgeordneten“ arbeite, und wann für die Partei. „Die Zeiten müssen – ähnlich wie beim Mindestlohn – festgehalten werden.“ Schließlich wäre es sonst ein klassisches Metier für den Rechnungshof, der das auch prüfen könne. Er wies darauf hin, dass es auch bezüglich der Einkommen zumindest ein angemessenes Verhältnis geben müsse.
Im Fall Bretz (PNN berichteten) ist es stattdessen so, dass der Potsdamer CDU-Kreisgeschäftsführer Karl-Heinz Kollhof faktisch seinen Lebensunterhalt aus dem Landtagssalär als Abgeordnetenmitarbeiter von Bretz verdient, nämlich rund 2000 Euro im Monat. Die Landes-CDU steuert lediglich 450 Euro bei, für den „Minijob“ der Organisation eines ganzen Kreisverbandes. Bretz selbst sprach vom „ehrenamtlichen CDU-Geschäftsführer“. Für Kritiker ist es eine unzulässige Methode, mit der Landtagsparteien mit dem Zugriff auf Steuergeld offenbar ihre eigenen Kassen schonen.
Auch der Parteienexperte Prof. Martin Morlok, Inhaber des Lehrstuhls Öffentliches Recht der Uni Düsseldorf und Direktor des Instituts für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung dort, sieht das kritisch. „Parteiarbeit darf nicht aus staatlichen Mitteln finanziert werden“, sagte Morlok den PNN. „Steuergelder sind für das Gemeinwohl da, nicht für das Parteiwohl.“ Außerdem gebe es sonst eine Wettbewerbsverzerrung. „Parteien, die nicht im Landtag sind, gucken in die Röhre.“
Allerdings weist Morlok darauf hin, dass dies die reine Lehre, die Realität komplizierter sei. Parteiapparate über die Wahlkreismitarbeiter von Parlamentariern zu finanzieren sei in der Bundesrepublik „übliche Praxis“. So habe der CDU-Politiker Heiner Geisler schon vor 20 Jahren auf einer Podiumsdiskussion in der Uni ohne jedes Unrechtsbewusstsein kundgetan, dass ohne Abgeordneten-Mitarbeiter die Kreispartei gar nicht finanzierbar wäre. Nach Einschätzung von Morlok sind die rechtlichen Grundsätze der Trennung zwar klar, „die Abgrenzung in der Praxis aber schwierig“. Sein Petitum ist daher, die Entwicklungen aufmerksam zu beobachten: „Um wenigstens die Auswüchse zu begrenzen, wenn es Landtagsparteien übertreiben.“ Und die Großen sitzen auch in Brandenburg in einem Boot. So griffen SPD und Linke, selbst angreifbar, den Fall Bretz am Freitag nicht auf, obwohl der designierte Generalsekretär der Landes-Union sonst ein rotes Tuch für die Regierungsfraktionen ist. Dafür ging Bretz selbst mit einer Erklärung in die Offensive – und kündigte eine Konsequenz an: Kohlhoff hat als Wahlkreismitarbeiter und als Potsdamer CDU-Kreisgeschäftsführer – anders als bisher – ab sofort getrennte Telefonnummern.
Die Freien Wähler, seit 2014 selbst in Brandenburgs Landtag, wollen es besser machen. „Der Missbrauch wird bei Parteien systematisch betrieben. Und alle hoffen, dass es nicht rauskommt“, sagt der Abgeordnete Christoph Schulze, der zwei Jahrzehnte in der SPD war. „Bei uns kann das nicht passieren. Wir haben keine Parteienstrukturen.“ Schulze empfiehlt der Landtagsverwaltung, Abgeordnete und Wahlkreis-Mitarbeiter künftig per Unterschrift zu verpflichten, „keine klassische Parteiarbeit zu machen“.
(mit axf)
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