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Brandenburg: Steuerpflicht für kommunale Unternehmen

IHK: „Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit“. Finanzministerium prüft Folgen für Gemeinden

Von Matthias Matern

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München/Potsdam – Gerade erst hatte Brandenburgs Landesregierung gegen den Willen der Wirtschaft Erleichertungen für Kommunalbetriebe durchgesetzt, da könnte eine Urteil des Bundesfinanzhofs in München alles wieder zunichte machen: Wie am Mittwoch bekannt wurde, hatten Deutschlands oberste Steuerrichter bereits im November entschieden, dass „gegen Entgelt erbrachte Leistungen der öffentlichen Hand der Umsatzsteuer unterliegen“. Das Urteil basiere auf einer Entscheidung des Europäischen Gerichsthofes von 2008 und werde zu einer „erheblichen Ausweitung der Umsatzsteuerpflicht für die öffentlichen Hand“ führen, hieß es gestern in einer Erklärung des Bundesfinanzhofs. Während Wirtschaftsverbände sowie FDP und CDU im brandenburgischen Landtag das Urteil am Donnerstag als „klares Zeichen gegen Wettbewerbsverzerrung“ begrüßten, sehen kommunale Spitzeverbände die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden in Zeiten des demografischen Wandels bedroht und warnen vor „noch nicht absehbaren Folgen“.

Aus Sicht von Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, „hebelt das Urteil das Gesetz zur Stärkung der kommunalen Daseinsvorsorge der Landesregierung aus“. Auf seiner letzten Sitzung im vergangenen Jahr hatte der Landtag mit Regierungsmehrheit die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen deutlich erleichtert. So etwa dürfen Kommunalbetriebe jetzt auch außerhalb ihres Gemeindegebietes tätig werden. Zudem wurde das bisher geltende Subsidiaritätsprinzip, das bei Aufträgen privaten Anbietern den Vorrang einräumt, abgeschafft. Wie berichtet waren die Wirtschaftsverbände gegen das Gesetz Sturm gelaufen, hatten mehrfach versucht, Rot-Rot zum Umlenken zu bewegen. Kritisiert wurde unter anderem, dass kommunale Betriebe private Unternehmen unterbieten könnten, da sie bislang nicht umsatzsteuerpflichtig seien. Böttcher hingegen sieht jetzt auch interkommunale Kooperationen in Gefahr: „Wenn etwa eine Gemeinde einer anderen ihre Turnhalle für den Schulsport zur Verfügung stellt und in der weiteren Umgebung eine privatwirtschaftliche Sportstätte vorhanden ist, müsste die Gemeinde künftig für die Vermietung ihrer Turnhalle Umsatzsteuer abführen“, schilderte der Städtebund-Chef. Das Ausmaß der Folgen sei noch gar nicht absehbar.

„Mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofes wird ein kleiner, aber wichtiger Schritt in Richtung Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit von privaten und kommunalen Unternehmen getan. Das begrüßen wir“, kommentierte der Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaft der Industrie- und Handelskammer Potsdam, Manfred Wäsche, gestern das Urteil der Steuerrichter. „Kommunale Unternehmen stehen durch diesen Beschluss nun im direkten Wettbewerb mit der Privatwirtschaft“, meinte auch der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau Berlin-Brandenburg Reinhold Dellmann. Aus dem Landesfinanzministerium hieß es lediglich, man prüfe derzeit mögliche finanzielle Auswirkungen auf die Kommunen.

Die Finanzexpertin der FDP-Landtagsfraktion, Marion Vogdt, hält „die Ausweitung der Steuerpflicht von Kommunen für ein wichtiges Signal für mehr Wettbewerb in Brandenburg“. „Es darf nicht sein, dass private Anbieter durch staatliche Betriebe vom Markt verdrängt werden, weil kommunale Unternehmen nicht umsatzsteuerpflichtig sind und somit die gleiche Leistung deutlich günstiger anbieten können“, sagte Vogdt gestern. „Das Urteil steht im krassen Widerspruch zur Änderung der Kommunalverfassung der letzten linken Landesregierung“, höhnte CDU-Wirtschaftsexperte Dierk Homeyer. Die Grünen, die als einzige Oppositionspartei das rot-rote Gesetz zur kommunalen Daseinsvorsorge unterstützt hatten, zeigten sich überrascht: „Die Umsatzsteuerpflicht bei Wettbewerbsleistungen müsste eigentlich selbstverständlich sein. Mich wundert es, dass es erst ein Urteil des Bundesfinanzhofs bedurfte, um das klarzustellen“, sagte Fraktionschef Axel Vogel. (Az: 2011 V R 41/10)

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