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Brandenburg: Stillstand im Berufsverkehr

Frust im Frost: Gleich beim ersten Warnstreik der Lokführer wurde es für die Fahrgäste ungemütlich

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Berlin/Potsdam - Der Streik der Lokführer hat viele Brandenburger und Berliner buchstäblich eiskalt erwischt. Bei minus zwölf bis minus 14 Grad strandeten Tausende morgens um sechs auf den Bahnhöfen der Region. Wer etwas mehr Glück hatte, saß immerhin in einem geheizten Zug, der in einem Bahnhof stehen blieb. Nach Auskunft eines Bahnsprechers sind bei der Berliner S-Bahn und im brandenburgischen Regionalverkehr „nur noch ganz wenige Züge gefahren“. Viele, aber längst nicht alle hatten rechtzeitig von dem Warnstreik erfahren, den die Gewerkschaft GDL am Montag kurz nach 18 Uhr angekündigt hatte – mit knapp zwölf Stunden Vorlauf.

GDL-Bezirkschef Frank Nachtigall schätzte die Quote der Zugausfälle zwischen sechs und acht Uhr auf 80 Prozent. Künftige Streiks werde man „genauso rechtzeitig ankündigen wie bisher“ sagte er den PNN. Die angeschlagene Berliner S-Bahn, so kündigte es zumindest der GDL-Bundesvorsitzende Claus Weselsky am Dienstag an, wolle man aber beim nächsten Aufruf schonen.

Der erste Streiktag zeigte zweierlei: Zum einen war die Vorlaufzeit zu knapp, um nennenswerten Ersatzverkehr zu organisieren. Insofern traf die gegen die Arbeitgeber gerichtete Aktion die Kunden massiv. Dabei war die Deutsche Bahn weit stärker betroffen als private Unternehmen wie Prignitzer Eisenbahn und ODEG. Zum anderen wurden auch die leidgeprüften Fahrgäste der S-Bahn nicht verschont. Nachtigall erklärte dazu: „Der Bundesvorsitzende hat deutlich gesagt, dass man sich der Situation bei der Berliner S-Bahn bewusst ist.“ Der Fahrgastverband IGEB sieht in der Art des Streikauftakts einen Affront gegen die Kunden. „Wir fordern 24 Stunden Vorlauf“, sagte IGEB-Vizechef Jens Wieseke. „Außerdem muss man nicht im Berufsverkehr damit anfangen.“ Bei einem Streik beispielsweise am Vormittag hätten die Kunden die Chance, vorher ihr Ziel zu erreichen. Wieseke fürchtet, dass die streikenden S-Bahner „sich wirklich einen Bärendienst erwiesen haben“. Vergangene Woche hatte auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an die GDL appelliert, sich die Einbeziehung der S-Bahn „dreimal zu überlegen“. Bahnvorstand Ulrich Homburg sagte: „Wie man dafür Verständnis in der Bevölkerung erreichen will, ist mir ein schlichtes Rätsel.“

Da die Bahn nach Auskunft eines Sprechers selbst nicht weiß, welche ihrer Lokführer GDL-Mitglieder sind, sieht sie als einzige Abhilfe für den nächsten Streiktag, zusätzliches Personal bereitzuhalten. Dieses spendierte manchen Gestrandeten am Dienstag heißen Tee und Kaffee, aber kann – auch wegen der überall im Netz stehenden Züge – keinen verlässlichen Notverkehr sicherstellen.

Den Fahrgästen bleibt nur, sich auf dem Laufenden zu halten. „Grundsätzlich müssen sie jeden Tag mit Streik rechnen“, sagte GDL-Mann Nachtigall. „Aber wir werden dem Arbeitgeber erst einmal Zeit geben. Vielleicht besinnt er sich ja.“Stefan Jacobs

Infos unter (030) 29 74  33 33 oder www.s-bahn-berlin.de (ggf. aus der Abfrage S- und Regionalbahn herausnehmen, um Wege nur mit der BVG zu suchen) und vbb-online.de.

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