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Brandenburg: Stolz wie Bimmel-Bolle

Gedenktafel erinnert an eine Berliner Marke

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Berlin - Carl Andreas Julius Bolle hatte es nicht leicht bis zum Millionenvermögen. Erst blieb er mit dem Bau von Arbeiterwohnungen in der Wirtschaftskrise stecken, dann versuchte er sich im Seefischhandel, wurde aber wegen verdorbener Ware von der Polizei gestoppt. Erst der dritte Anlauf, die Gründung einer Molkerei mit Garten 1879, schlug ein. Ein Jahr später setzte er bereits 24 000 Liter täglich um – und wurde später zum legendären Pionier des Berliner Milchhandels, ein Jahr vor seinem Tod 1910 zum „Geheimen Kommerzienrat“ erhoben. Dort, wo sich Bolles Meierei befand, in Alt-Moabit 98, wird der Präsident des Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland, am Montag um 15 Uhr eine Gedenktafel enthüllen. Laudator ist der Historiker Helmut Engel. Bolle galt als strenger, christlich geprägter Arbeitgeber mit sozialer Ader, der aber zahllose Kinder für sich arbeiten ließ, die „Bollejungen“, die an sechs Wochentagen zehn Stunden lang mit der berühmten Bolle-Klingel durch die Stadt zogen und Frischmilch verkauften – was dem Chef den Namen „Bimmel-Bolle“ einbrachte.

Nach seinem Tod wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ging 1933 in den Besitz der Familie Werhahn über. Nach dem Krieg verlor Bolle an Bedeutung, weil der Handel auf verpackte Ware aus den westlichen Bundesländern umschwenkte. Als zweites Standbein entstand deshalb eine Ladenkette, und bis in die Neunziger gab es Bolle-Milch unter dem Namen „emzett“.

1999 ging die Bolle-Meierei im Milchkonzern Campina auf. Die nach heutigen Maßstäben viel zu kleinen Märkte wurden über coop und verschiedene andere Besitzer an Rewe weitergereicht, wo der Name später unterging. Heute gibt es in Kladow einen Bolle-Markt, der zum historischen Unternehmen aber keine Verbindung hat. Und auch der rabiate Säufer, der durch den Gassenhauer „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“ unsterblich wurde, hat mit Milch absolut nichts zu tun – das Lied ist vermutlich älter, und „Bolle“ war ein Spitzname wie „Atze“. Ihm würde heute sicher auch niemand eine Gedenktafel stiften. Bernd Matthies

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