zum Hauptinhalt
Pfusch in Beton. Das Terminal des Hauptstadtterminals BER ist weiterhin gesperrt, die Statik steht noch in Zweifel.

© Patrick Pleul/dpa

Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg: Strafanzeige wegen BER-Baupfusch

Das Terminal bleibt gesperrt. Der Flughafen BER beantragte Teilfreigabe unter ausgeschalteten Ventilatoren. Landrat Loge blockt ab, denn die Ventilatoren sollten bei Feuer die Baustelle entrauchen.

Stand:

Potsdam - Brandenburg könnte nach Schätzungen allein jährlich rund 1,5 Milliarden Euro mehr Steuern einnehmen, wenn das Land genügend Steuerfahnder und Finanzbeamte einstellen würde. Diese Zahl nannte zumindest Hans-Holger Büchler, der Landeschef der Steuergewerkschaft, am Mittwoch vor Journalisten in Potsdam. Anlass ist ein bundesweiter Aktionstag, in dem die Lobby der Finanzbeamten auf Defizite im Steuersystem aufmerksam machen will. Und in Brandenburg das größte Defizit auf diesem Feld sei „fehlendes Personal“ in den Finanzämtern, so Büchler. „Dabei liegt das Geld auf der Straße“. Als Beleg für die Zahl führte Büchler an, dass bundesweit nach Untersuchungen allein über 50 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht durch die Lappen gehen würden. Den „Königssteiner Schlüssel“ angewandt, kommt die Gewerkschaft dann auf die Summe von über einer Milliarde Euro, die Brandenburg entgehe.

Die Fachgewerkschaft vertritt 1200 der 3400 Beschäftigten der Finanzverwaltung des Landes. Im Bundesvergleich sei das Personal zwanzig Prozent zu gering, „uns fehlen ungefähr 500 Leute.“ So gebe es landesweit lediglich 66 Steuerfahnder, was ein „Feigenblatt“ sei. Zugleich wies Büchler daraufhin, dass in der Praxis die Belastung der Belegschaften in den Finanzämtern noch höher sei, weil im Schnitt 300 Kollegen im Jahr krank sind. „Faktisch bedeutet das, dass ein Finanzamt in Brandenburg nicht besetzt ist.“ Zwar bescheinigte Büchler der rot-roten Regierung, dass seit einigen Jahren endlich wieder Nachwuchs der Steuerverwaltung ausgebildet wird, jährlich 76 Azubis eingestellt würden, was der frühere Finanzminister Rainer Speer (SPD) gestoppt hatte. Aber das reiche nicht aus, da in den nächsten Jahren aus Altersgründen jährlich 80 bis 100 Mitarbeiter der Finanzverwaltung ausscheiden würden.

Seine Forderungen stützt die märkische Steuergewerkschaft auch auf den Landesrechnungshof, der fast in jedem Jahresbericht auf Defizite in der Steuerverwaltung, auf entgangene Einnahmen für den Landeshaushalt hinweist. Im letzten Jahresbericht hatte die oberste Finanzkontrollbehörde gerügt, dass wegen Personalnot das Land die Festsetzung der Grunderwerbssteuer zu lange dauert. „Die Finanzämter verfügen nicht über die technischen Voraussetzungen und die notwendigen Arbeitskräfteressourcen, um die Grunderwerbssteuer zeitnäher festsetzen zu können“, hieß es dort. „Zum einen litten sie unter hohen Ausfallzeiten der Bediensteten. Zum anderen ist die derzeitige Automationsunterstützung unzureichend.“ Die Bediensteten, so rügte der Hof, müssten „in zu hohem Maße einfache Erfassungs-, Sortier- und Ablageaufgaben verrichten“, wodurch Arbeitszeitkapazitäten für steuerfachliche Tätigkeiten verloren gingen.

Das Finanzministerium reagierte zurückhaltend. Man könne die Zahlen zur Personalnot nicht nachvollziehen. Sie seien vielleicht vor fünf Jahren korrekt gewesen, aber inzwischen überholt, hieß es. Die Personalsituation in dem Finanzämtern sei lange dadurch gekennzeichnet gewesen, dass seit dem Jahr 2004 „ keine Neueinstellungen für die Steuerverwaltung mehr vorgenommen worden seien, sagte Finanzstaatssekretärin Daniela Trochowski. Das habe die rot-rote Landesregierung nach dem Regierungswechsel geändert. Seit 2010 hätten bereits 392 junge Menschen die Ausbildung oder das Studium begonnen. Thorsten Metzner

Schönefeld - Wegen des teuren Baupfuschs im neuen Hauptstadtflughafen in Schönefeld hat ein Berliner jetzt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Cottbus gestellt. Verfasser ist Holger Doetsch, ein Publizist und Hochschullehrer für Medien- und Urheberrecht. Er bestätigte seinen Schritt den PNN und begründete ihn so: „Eigentlich ist es schlimm genug, dass sich die deutsche Hauptstadt national und international der Lächerlichkeit preisgibt“, sagte er. „Darüberhinaus kann es nicht sein, dass beim BER offensichtlich Steuergelder in beträchtlichem Ausmaße versenkt werden, und niemand dafür die Verantwortung übernimmt.“

Die Strafanzeige gegen Unbekannt „wegen Untreue und aller anderen in Betracht kommenden Straftatbestände“ verweist vor allem auf den zuletzt publik gewordenen Baupfusch beim neuen Flughafen, der zu einem „Vermögensnachteil für die öffentliche Hand“ führe. Es sei „zwingend anzunehmen, dass die rechtsgeschäftliche Ausübung der Befugnisse verantwortlicher Personen beim BER unter Verstoß gegen der sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Vermögensfürsorgepflichten erfolgten“, heißt es. Ausdrücklich bezieht die Strafanzeige auch die „eklatanten Statikprobleme“ wegen der Deckenventilatoren ein. Es sei daher auch zu überprüfen, „ob es durch die möglicherweise fehlerhafte Planung der Statik zu einer Gefahrenlage für die Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter auf dem BER gekommen ist, und wer gegebenenfalls davon gewusst und damit eine bewusste Gefährdung von Menschen in Betracht gezogen hat.“ Seit einer Woche prüft die Staatsanwaltschaft bereits die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen Baugefährdung. Die Prüfungen würden auf die Problematik der Abrisswände erweitert, hieß es nun.

Die Terminalhalle des künftigen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld bleibt wegen der zu schweren Rauchgasventilatoren unterm Dach unterdessen weiter gesperrt, bestätigte Stephan Loge (SPD), Landrat des Kreises Dahme-Spreewald, den PNN. Die von Flughafenchef Karsten Mühlenfeld angestrebte kurzfristige Freigabe des BER-Terminals verzögert sich damit weiter. Zwar hat die Flughafengesellschaft schon vor einigen Tagen laut Loge unter Verweis auf ein neues Statikgutachten eine Teilfreigabe der Terminalhalle für die Bereiche unter den zehn leichten Ventilatoren beantragt, die das zulässige Höchstgewicht von zwei Tonnen lediglich um dreihundert Kilogramm überschreiten. „Aber das ist nicht genehmigungsfähig, weil es in Kollision zum Baustellenbrandschutz steht“, sagte Loge. „Der Flughafen sucht jetzt eine andere Lösung für das Problem.“

Nach dem vom Flughafen für die Teilfreigabe eingereichten Statikgutachten ist unter den leichten Ventilatoren die Statik nämlich nur gewährleistet, wenn die Ventilatoren nicht in Betrieb sind. Nach der Baugenehmigung für den Flughafen wiederum soll die Baustelle im Brandfall aber von diesen Ventilatoren entraucht werden. Loge betonte, „bei Statik und Brandschutz auf einer Baustelle hat Sicherheit absoluten Vorrang.“ Er erinnerte an das Brandunglück auf dem Flughafen Düsseldorf, bei dem 16 Menschen starben. Der Schwelbrand sei bei Schweißarbeiten ausgelöst worden. Fünf weitere Ventilatoren, die auf unter der Decke montierten Bühnen stehen, überschreiten mit vier Tonnen das zulässige Höchstgewicht sogar um das Doppelte.

Mühlenfeld musste am Mittwoch - zusammen mit dem Berliner Flughafenkoordinator Engelbert Lütke-Daldrup - kurzfristig im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wegen der aktuellen Probleme um Statik und Abrisswände Rede und Antwort stehen. Wenn jetzt alles glattgehe, könne der Flughafen wie geplant eröffnet werden, sagte er dort.

Die Mitglieder des Hauptausschusses zeigten sich skeptisch – denn bei diesem Bau ist von Anfang an fast gar nichts glattgegangen. Und so wurden Mühlenfeld und Lütke Daldrup einem mächtigen Fragen-Kreuzfeuer unterzogen. Nicht auf alles hatten sie eine Antwort.

Zu den Deckenventilatoren im Terminal äußerte sich Mühlenfeld so: „Wir haben nachgerechnet. Die Arbeitsbühnen halten die Lasten aus, obwohl sie überhöht sind – solange die Ventilatoren nicht betrieben werden.“ An dieser Stelle gab es bittere Lacher – denn wegen dieses Problems ist nun das Terminal gesperrt. Denkbar sei, so Mühlenfeld, dass man durch detailliertes Neuberechnen der Statik doch noch zum Ergebnis komme, dass sie benutzbar seien. Um wenigstens eine Teilfreigabe der Terminalhalle zu erreichen, versucht der Flughafen nun eine Entrauchungslösung für die Baustelle zu finden, die ohne die Ventilatoren auskommt. Ein eigener Baubrandschutz sei in Planung, so Mühlenfeld. Wie genau dieser „Baubrandschutz“ funktionieren könnte, sagte er nicht.

Verantwortlich für das Ventilatorenproblem ist nach Mühlenfelds Angaben die Planungsgesellschaft BBI, die als Generalplaner eingesetzt war und 2012 rausgeflogen ist. Die Deckenventilatoren hätten nach Statik und Baugenehmigung zwei Tonnen wiegen dürfen. Bei der Bestellung sei aber kein Gewichtslimit gesetzt worden, so Mühlenfeld. Da die Firma pleite sei, gebe es nichts zu holen, und die Gewährleistungsfrist sei auch abgelaufen.

Dies regte den SPD-Haushaltspolitiker Torsten Schneider auf. „Das ist mir zu lapidar“, sagte Schneider, zugleich parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion. Man könne wenigstens versuchen, die verjährten Ansprüche aufzurechnen. Auch Linken-Haushälterin Jutta Matuschek wollte sich nicht zufriedengeben. „Warum wurden die Mängel nicht bei den Baufirmen geltend gemacht?“, fragte sie. „Wo war die Bauüberwachung? Welche Kontrollmechanismen wurden geschaffen, damit das nicht wieder vorkommen kann? Wenn alle ihre Arbeit machen, kann so etwas doch nicht passieren!“

Piraten-Politiker Heiko Herberg sah hier „grobe Fahrlässigkeit“ und fragte nach rechtlichen Schritten gegen den Projektsteuerer. Es würden Regresse versucht, wo dies möglich sei, sagte Mühlenfeld. Dafür brauche man Belege. „Bis 2012 liegt aber keine klare Aktenlage vor.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })