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Brandenburg: Streit um Kind von Mordopfer

Sürücü-Familie will Sorgerecht für Sohn beantragen

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Berlin – Nach dem Urteil im so genannten Ehrenmord-Prozess will die Familie der ermordeten Deutsch-Türkin Hatun Sürücü das Sorgerecht für deren sechsjährigen Sohn beantragen. „Das wollten wir von Anfang an. Wir haben nur das Urteil abgewartet“, sagte eine Schwester der Ermordeten. Der jüngste Bruder sitzt wegen des Mordes im Gefängnis. Sollte das Gericht den Antrag der Familie Sürücü ablehnen, will auch der in Istanbul lebende leibliche Vater des Jungen das Sorgerecht für sich beanspruchen. Für die Dauer des Prozesses hatten die Sürücüs Kontaktverbot zu dem Kind.

In dem Berliner Prozess war am vergangenen Donnerstag der 20-jährige Bruder von Hatun Sürücü zu neun Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt worden. Seinem Geständnis zufolge hat er seine Schwester im Februar 2005 mit drei Schüssen in den Kopf getötet. Zwei weitere Brüder wurden aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Nach Einschätzung des Richters musste die junge Frau wegen ihres westlichen Lebensstils sterben. Die 23-Jährige war aus einer Zwangsehe in der Türkei geflohen.

Hatun Sürücü soll mit 15 Jahren auf Drängen der Familie ihren Cousin in der Türkei geheiratet und mit ihm den heute Sechsjährigen gezeugt haben. Nach wenigen Monaten kehrte die Schwangere jedoch nach Berlin zurück und begann dort eine Ausbildung. Nach dem Mord an der Mutter gab das Jugendamt des Bezirks Tempelhof-Schönberg den Jungen in eine Pflegefamilie. Deren Identität wird geheim gehalten.

Der Geschäftsführer der Grünen-Fraktion im Bundestag, Volker Beck, sagte, wichtiger als eine von Unionspolitikern geforderte Ausweisung der Familie finde er, „dass die Familie der Täter jetzt nicht auch noch einen Zugriff auf das Kind des Opfers erhält“. Die Jugendstadträtin des Stadtbezirks Tempelhof-Schöneberg, Angelika Schöttler (SPD), sagte, ihre Behörde habe das Sorgerecht bewusst einer Pflegefamilie übertragen, um das Kind im Sinne der Mutter zu erziehen. Die letzte Entscheidung über das Sorgerecht für den Jungen liege beim Familiengericht. Die Familien- und Strafrechtsanwältin Seyran Ates sagte, sie halte es für unwahrscheinlich, dass die Schwester Sürücüs das Sorgerecht bekomme. „Außer, sie findet einen Richter, der eine solch absurde Entscheidung trifft.“ Nach dem Urteil im Mordprozess hatte die Staatsanwaltschaft sofort Revision gegen den Schuldspruch sowie die Freisprüche beim Bundesgerichtshof eingelegt. dpa

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