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Brandenburg: Streit um Totalreservate in der Uckermark Unteres Odertal: Interessengemeinschaft fordert Novellierung des Nationalpark-Gesetzes

Von Juliane Sommer Schwedt. „Streng genommen ist der Nationalpark gar kein Nationalpark“, sagt Karl-Heinz Schwellnus vom Arbeitskreis Nord der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt (Oder).

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Von Juliane Sommer Schwedt. „Streng genommen ist der Nationalpark gar kein Nationalpark“, sagt Karl-Heinz Schwellnus vom Arbeitskreis Nord der Industrie- und Handelskammer (IHK) Frankfurt (Oder). Nationalparke seien natürliche Landschaften, die unter Schutz gestellt werden, damit der Mensch sie nicht mehr beeinflussen und verändern kann. „Hier im Unteren Odertal wurde eine bereits vom Menschen geformte Kulturlandschaft unter diesen Schutz gestellt, damit sie sich in eine ursprüngliche Landschaft zurückentwickeln kann. Und genau darin liegt das Konfliktpotenzial“, sagt der IHK-Experte. Mit einem offenen Brief, den mehrere Landtagsabgeordnete der Region und auch die IHK unterschrieben hat, startete die „Interessengemeinschaft zum Schutz des Unteren Odertals“ jetzt einen Großangriff auf den Nationalpark. Der Verein, der sich als Gegenpol zum Nationalpark-Förderverein sieht und die Interessen von Anglern, Fischern und Landwirten vertreten will, fordert eine Novellierung des 1995 erlassenen Nationalpark-Gesetzes. „Es geht uns darum, die in dem Gesetz festgelegte Ausweisung von 50 Prozent der Nationalpark-Flächen als Totalreservate bis zum Jahr 2010 zunächst zu stoppen“, sagt Schwellnus. „Wir sind dabei nicht generell gegen die Unterschutzstellung von Flächen. Das sollte jedoch nicht übers Knie gebrochen werden. Wen stört es, wenn die 50 Prozent erst bis zum Jahr 2050 erreicht werden. Oder wenn es generell weniger als 50 Prozent sind“, sagt er. Schwellnus fürchtet, dass die Nationalpark-Verwaltung bei einer schnellen Ausweisung von Flächen die Nutzer vor vollendete Tatsachen stellen und sie aus dem Schutzgebiet vertreiben könnte. „Es geht uns um die Angler, die dann dort nicht mehr angeln können, um die Touristen, die nicht mehr in die Polderwiesen, sondern nur noch auf den Deichen fahren können. Einen Nationalpark, der die Menschen ausschließt, lehnen wir ab“, bekräftigt Schwellnus. Internationaler Status in Gefahr Dabei nehmen er und die anderen Verfasser des offenen Briefes in Kauf, dass der Nationalpark seinen internationalen Status verliert. Die für dieses Schutzgebiet geltenden Kriterien sehen zwangsläufig die Ausweisung von Totalreservaten auf mindestens 40 Prozent der Flächen vor. „Wenn das nicht so ist, dann ist dieser Nationalpark zwar kein Nationalpark im eigentlichen Sinne mehr. Das war er jedoch von Anfang an nicht, weil hier keine ursprüngliche, vom Menschen unbeeinflusste Landschaft geschützt wurde. Insofern könnten wir mit dem falschen Etikett Nationalpark auch künftig leben“, sagt Schwellnus. Politische Unterstützung erhält die Interessengemeinschaft von der Uckermark-Kreisverwaltung. Landrat Klemens Schmitz (SPD) stellte sich erst vor wenigen Tagen demonstrativ hinter die Forderungen des offenen Briefes und ging sogar noch einen Schritt weiter: „Ich fordere, dass die Großschutzgebiete nicht mehr vom Land verwaltet, sondern den Kreisen zugeordnet werden. Wir verfügen mit unseren Unteren Naturschutzbehörden über die dafür erforderliche fachliche Kompetenz“, erklärte Schmitz. Von Natur- und Umweltschützern wird das allerdings als Versuch gewertet, die Existenz der Großschutzgebiete zu unterhöhlen. „Das ist ein Großangriff auf das Schutzgebietssystem des Landes Brandenburg“, sagt ein Vertreter des BUND. Brandenburgs Agrar- und Umweltminister lehnt die Forderungen der Interessengemeinschaft und des Landrates ab. „Es bleibt dabei, dass der Nationalpark Nationalpark ist. Und es bleibt auch dabei, dass die Schutzgebiete vom Land verwaltet werden“, sagt Wolfgang Birthler (SPD). Alles andere mache keinen Sinn. Manche Schutzgebiete erstreckten sich über das Territorium mehrerer Kreise. „Wie soll das verwaltet werden, wenn nicht durch das Land?“, fragt Birthler. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erklärte erst vor wenigen Tagen bei einem Besuch in Schwedt, dass es keine Änderungen des Nationalpark-Gesetzes geben werde. „Ich sehe keinen Handlungsbedarf. Und in dieser Legislaturperiode wird es kein neues gesetzgebendes Verfahren für den Nationalpark mehr geben, auch keine Novellierung des bestehenden Gesetzes“, sagte Platzeck. Unbeeindruckt davon setzt die Interessengemeinschaft ihre Werbeaktivitäten unter der politischen Lobby in Potsdam für eine Gesetzesänderung fort. „Es gibt in allen Fraktionen Vertreter, die sich unseren Argumenten anschließen“, so Schwellnus.

Juliane Sommer

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