Brandenburg: Stresstest für die Schönefelder Flughafen-Planer Zusätzliche Schalter, Kritik am Lärmschutz:
Der Druck auf die Airport-Betreiber hält an
Stand:
Schönefeld - Wie gut ist der künftige Flughafen Berlin-Brandenburg geplant? Nach dem Beschluss der Flughafengesellschaft, den Abfertigungsbereich kurz vor Eröffnung noch zu erweitern, fallen die Antworten unterschiedlich aus. Nach Ansicht der Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) hat es bislang an keinem Flughafen eine „derart unprofessionell anmutende Planung und schon beinahe Hilflosigkeit“ gegeben. Die BVF bezieht sich dabei auf den Schallschutz für die Anwohner. Experten der Luftfahrtbranche loben dagegen, dass der Flughafen aus den beim Probebetrieb erkannten Mängeln schnell Konsequenzen gezogen habe.
Sie verweisen darauf, dass die Planung bereits Mitte der 90er Jahre begonnen habe – durch den Baukonzern Hochtief und das Immobilienunternehmen IVG. Erst nachdem die geplante Privatisierung des Flughafenbaus und -betriebs 2003 gescheitert war, nahm die Flughafengesellschaft das Zepter in die Hand. Ihr wurde zunächst vorgeworfen, zu großzügig zu planen. Von der Entwicklung wurde sie dann selbst überrascht: Die Zahl der Passagiere hat sich seither mit 24 Millionen im Jahr 2011mehr als verdoppelt; auch im ersten Quartal 2012 gab es eine Zunahme um 5,6 Prozent. Für das Jahr 2023 waren einst 30 Millionen Fluggäste prognostiziert worden. In der Planungsphase wurde die Kapazität dann von 25 Millionen auf aktuell 27 Millionen Fluggäste erhöht – und dabei auch geschickt eine Kostensteigerung beim Bau versteckt.
Das erwartete Passagieraufkommen war Grundlage für die Berechnung der benötigten Schalteranzahl. Hier schwankten die Zahlen aber mehrfach. Mal nannte die Flughafengesellschaft 96 Schalter, dann waren es 104, die in einem Jahr auf 132 erhöht werden sollten, am Dienstag waren es 94, die im nächsten Jahr auf 118 erweitert werden sollten und am Mittwoch waren es rund 100, weil nun auch die Schalter mitgezählt werden, die vorübergehend in einem Container untergebracht werden sollen, bis die ebenfalls nachträglich geplanten beiden Erweiterungsbauten am Terminal fertig sind. Derzeit sind dort nach Flughafenangaben weitere 24 Schalter vorgesehen. Die unterschiedlichen Zahlen begründet Flughafensprecher Leif Erichsen mit Änderungen durch die Fluggesellschaften. Die 20 Schalter, die bis zur Eröffnung in einer Leichtbaukonstruktion im Terminal aufgestellt werden, seien als Reserve vorgesehen. Im Probebetrieb hätten stündlich 30 Passagiere an einem Counter abgefertigt werden können, weit weniger als erwartet. Man werde zwar besser, wolle aber eine Reserve haben, so Erichsen. Sie kostet 2,5 Millionen Euro.
Am 3. Juni als Eröffnungstermin will die Flughafengesellschaft festhalten. Der am Dienstag eingebrachte Antrag mehrerer Anwohner, den Start zu verschieben oder ein Nachtflugverbot zu verhängen, weil die meisten der anspruchsberechtigten Anwohner bis dahin keinen Lärmschutz erhalten haben, ändere daran nichts, sagte Erichsen. Juristisch sei der Flughafen auf der sicheren Seite, weil die meisten Bescheide zur Kostenübernahme rechtzeitig verschickt worden seien. Ein Großteil der Anwohner hat sie aber bisher nicht umgesetzt.
Ungeklärt ist, wie laut es in den Häusern überhaupt werden darf. Die Flughafengesellschaft will den Maximalpegel im Schnitt bis zu sechs Mal am Tag überschreiten können; die Genehmigungsbehörde verlangt, ohne Überschreitung auszukommen. Hier will der Flughafen nun eine „Klarstellung“ beantragen, was zu der harschen Kritik der BVF geführt hat.
Sollte das brandenburgische Infrastrukturministerium als Planfeststellungsbehörde den Antrag auf Verschiebung der Eröffnung wie angekündigt zurückweisen, wollen die Anwohner klagen. Bereits jetzt sind nach Angaben eines Gerichtssprechers noch 13 Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht anhängig, für die es noch keine Termine gibt. Mit Klagen gegen die Flugrouten muss sich das Oberverwaltungsgericht beschäftigen, und beim Bundesverfassungsgericht sind Verfassungsbeschwerden eingegangen. Auch ein Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist bereits angekündigt.
Dass auch nachträgliche Klagen Erfolg haben können, hat sich beim Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich gezeigt. Der Meiler musste nach einem knapp zweijährigen Probetrieb und 100 Tagen am Netz 1988 abgeschaltet werden, weil das Genehmigungsverfahren nicht rechtmäßig war. Das Kraftwerk wird abgerissen.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: