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Brandenburg: Swingen und schwimmen

Babelsberger Premieren: Kevin Spacey gibt im Friedrichstadtpalast ein Gala-Konzert, „Prada“ feiert in einem Stadtbad den Werbe-Kurzfilm von Ridley Scott

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Babelsberger Premieren: Kevin Spacey gibt im Friedrichstadtpalast ein Gala-Konzert, „Prada“ feiert in einem Stadtbad den Werbe-Kurzfilm von Ridley Scott Berlin - Von verwöhnten Ehrengästen will Kevin Spacey sich nicht ärgern lassen. „You better shut up“, er solle jetzt besser seinen Mund halten, schnauzt der Oscarpreisträger den jungen Mann an, der gleich unterhalb der Bühne am Tisch sitzt und ins Mobiltelefon spricht. Da nützt auch die beste Ausrede nichts – „aber es ist doch mein Girlfriend“, – Spacey duldet keine Ablenkung. Zu recht. Kommen doch die gut 450 geladenen Gäste der Premierenfeier des Films „Beyond the Sea“ in dieser Nacht in den Genuss einer einmaligen Darbietung: Auf die Minute pünktlich um eine Stunde nach Mitternacht ist Kevin Spacey auf der Bühne im Salon des Friedrichstadtpalastes erschienen, ein großes Glas Kamillentee in der Hand. Blass und geschafft sieht er aus, doch die Erschöpfung scheint geradezu von ihm abzufallen, als das extra aus London eingeflogene John Wilson Orchestra den flotten Swing anstimmt. „Hello Young Lovers“ singt Spacey, und wippt dabei so leicht in den Knien, wie der Song klingt. Das Publikum staunt, jubelt – und tuschelt. Dass der Mann von der Leinwand derart gut singen kann, hat irgendwie keiner geglaubt. Obwohl Spacey in „Beyond the Sea“, der am Donnerstag in den deutschen Kinos startet, genau das tut: Er singt, singt und singt. So gut, dass er locker mithalten kann mit demjenigen, um den es in seinem Film geht: Den US-amerikanischen Entertainer Bobby Darin, ein Multitalent, schwer herzkrank, aber erfolgreich wie kaum einer zuvor. Er gewann zwei Grammys, war der Star der Nachtclubs, wurde für den Oscar nominiert. Mit nur 37 Jahren starb Darin, das war 1973. Seine Musik kennen viele US-Amerikaner noch – doch seine Lebensgeschichte die wenigsten. Für Spacey Grund genug, dem Idol seiner Kindheit zu huldigen. Mit maximalem persönlichen Einsatz drehte er vor gut einem Jahr im Studio Babelsberg, in Potsdam und Berlin den Film „Beyond the Sea“ (PNN berichteten), probte monatelang Darins Songs. Der Film ist längst fertig, doch Spaceys Leidenschaft ist nicht erloschen. „Fly me to the moon“ bittet er, die Augen voller Sehnsucht, und schreitet dabei von der Bühne des im Stile des New Yorker Kult-Nachtclubs „Copacabana“ dekorierten Salons ins Publikum. „Man sollte seinem Herz folgen – das ist es, was ich dieser Tage tue“, hatte Kevin Spacey ein paar Stunden vorher gesagt, bei der Pressekonferenz zum Berlinale-Start seines Films. Dazu gehört für den Schauspieler nicht nur, dass er sich mit „Beyond the Sea“ einen Lebenstraum erfüllt hat. Er ist von Hollywood nach London gezogen, dort Intendant des „Old Vic Theatre“ und steht derzeit sechs Abende die Woche als Hauptdarsteller im Stück „National Anthems“ auf der Theaterbühne – nur nicht sonntags. Weshalb Spacey auf der Premierenfeier verkünden kann: „Heute ist eigentlich mein freier Tag.“ Doch schon im Anschluss an die abendliche Premierenvorführung von „Beyond the Sea“ im Kino „Zoopalast“ musste er auf die Bühne: Die Kinobesucher forderten eine Gesangseinlage, Spacey ließ sich nicht lange bitten. „Happy Valentine“ sang er. Und diesmal war ihm die Aufmerksamkeit gewiss. Garantierte Aufmerksamkeit, die hat am Berlinale-Sonntag auch Regisseur Ridley Scott. Im „Talent Campus“ hat sein neuer Film Premiere – doch er ist nur knappe vier Minuten lang. Der Spot, der so gar nicht nach Werbung aussieht, soll das neue Parfüm der italienischen Edel-Marke „Prada“ vorstellen. Gedreht hat Scott den Kurzfilm „Thunder Perfect Mind“ – benannt nach einer mehr als 1600 Jahre alten religiösen und philosophischen Schrift, die 1945 in einem Tonkrug nahe des ägyptischen Dorfes Nag Hammadi gefunden wurde – an fünf Novembertagen 2003 in Berlin. In die Stadt geholt hat ihn Studio Babelsberg Motion Pictures (SBMP) – und mit seinem Angebot sogar den Konkurrenz-Schauplatz Barcelona ausgestochen. Schließlich arbeiteten einhundert Babelsberger Filmexperten, vom Kameramann bis zum Beleuchter, mit Scott und seiner Tochter Jordan, die „Thunder Perfect Mind“ produzierte, an dem Kurzfilm. Die Film-Dienstleister um SBMP-Geschäftsführer Henning Molfenter waren es auch, die für die abendliche Premiere einen höchst außergewöhnlichen Ort vorschlugen und ihn, nach der Zusage von „Prada“, vom Babelsberger Art Department aufsehenerregend dekorieren ließen: Gefeiert wird im trocken gelegten Bassin des Stadtbades in der Oderberger Straße im Prenzlauer Berg. An die gewölbte Decke der 1902 im Stil der Neorenaissance eröffnete „Volksbadeanstalt“ projizieren die Babelsberger den Kurzfilm, die Wände zwischen den Rundbögen sind mit überlebensgroßen Bildern des Spots geschmückt. So ragt zwischen bröckelndem Putz hier ein knackiger Po, dort das schöne Gesicht der Hauptdarstellerin Daria Werbowy hervor. Zwei Filmvorführräume gibt es, in beiden sind die Bänke immer gut besetzt. Ridley Scott aber ist nirgendwo zu finden. Der besonders für seine Filme „Alien“, „Blade Runner“ und „Thelma und Louise“ verehrte heute 68-Jährige verzichtet auf das Bad in der Menge. Auf ihn wartet die Arbeit: Er sitzt für seinen neuen Film „Kingdom of Heaven“ im Schnittraum. Sein Ko-Produzent allerdings darf noch feiern – es ist SBMP-Chef Henning Molfenter. Nicht unwahrscheinlich, dass Ridley Scott bald wieder kommt.

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