Brandenburg: Tausende kranke Kinder: Behörden rätseln noch
In Brandenburg jetzt 3132 Kranke: Jetzt wird Kritik laut, dass nach einer Woche immer noch keine validen Laboranalysen vorliegen
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Potsdam - Nach einer Woche stehen Behörden und Experten immer noch vor einem Rätsel, welche Erreger im Schulessen den plötzlichen Massenausbruch von Magen-Darm–Erkrankungen ausgelöst hat, von dem inzwischen allein in Brandenburg 3132 und in Berlin 2700 Kinder betroffen sind. Es handelt sich nach Angaben des Robert-Koch-Institutes damit um die größte von Lebensmitteln ausgelöste Krankheitswelle in Deutschland. Zwar gelten auch bakterielle Gifte als eine mögliche Ursachen. Einen Terroranschlag durch bakterielle Giftstoffe schließen die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern aber nach PNN-Recherchen aus.
Insgesamt sind ausschließlich in ostdeutschen Ländern rund zehntausend Kinder erkrankt, wobei Brandenburg neben Sachsen am meisten betroffen ist. Dennoch gaben die Behörden am Mittwoch vorsichtig Entwarnung. Es seien „keine Neuerkrankungen“ mehr gemeldet worden, teilte das Potsdamer Verbraucherschutzministerium mit. Dies hänge auch mit den Schulferien zusammen, wordurch weitere Ansteckungen nicht möglich seien. Dass die Zahl erkrankter Kinder in Brandenburg von zuletzt knapp 2500 noch einmal auf 3132 anstieg, wird mit Nachmeldungen durch Eltern, aber auch mit Fällen angesteckter Angehöriger erklärt. Weder das Robert-Koch-Instritut noch die Experten auf Landesebene können sagen, inwieweit es sich bei den Nachmeldungen möglicherweise auch auch um jahreszeitlich bedingte Magen-Darm-Erkrankungen handelt.
Umso mehr rückt nun das Krisenmanagement in die Kritik. „Für mich ist unverständlich, warum die Ursachen für die Erkrankung nach gut einer Woche noch nicht herausgefunden wurden“, sagte etwa die brandenburgische SPD-Landtagsabgeordnete Sylvia Lehmann, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion. Tatsächlich waren erste auffällige Magen-Darm-Erkrankungen bei Schülern bereits am Dienstag voriger Woche gemeldet worden. Höhepunkt der Krankheitswelle in Brandenburg war vorigen Donnerstag und Freitag. Erste Ergebnisse der Landeslabore waren zunächst für vorigen Freitag, dann für den Montag angekündigt worden. Nun liegen sie immer noch nicht vor, werden nun für den heutigen Donnerstag erwartet, wie Verbraucherschutzministerin Anita Tack (Linke) am Abend den PNN sagte. Kritik an der Dauer wies Tack zurück. Die Laboruntersuchungen seien sehr aufwendig, da aus den Proben etwa Bakerienkulturen nachgezüchtet werden: „Das dauert fünf Tage.“
Noch steht der Nachweis des Erregers also weiterhin aus. Ob es sich um eine virale oder bakterielle Erkrankung handele oder ob möglicherweise ein bakterieller Giftstoff (Toxin) die Ursache war, sei nicht bekannt, so die Behörden. Fest steht lediglich, dass fast alle betroffenen Kinder vorher Schulessen verspeist hatten, das vom Großcaterer Soddexo geliefert worden war. Dies hat auch in Brandenburg die Debatte um die Qualität des Schulessens neu entfacht. So sprachen sich Verbraucherschutzministerin Anita Tack (Linke), die SPD-Abgeordnete Sylvia Lehmann und die brandenburgischen Grünen inzwischen dafür aus, stärker auf regionale Anbieter und Produkte zu setzen. Es gebe im Land 80 Caterer, man müsse sich nicht auf einen konzentrieren, sagte Tack.
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche hatte der Firma Sodexo schwere Missstände vorgeworfen. Lehmann sagte, die Herkunft der Lebensmittel müsse nachvollziehbar und transparenter gestaltet werden, „die Zeiten zwischen Zubereitung und Verzehr kurz sein“. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) hatte dagegen sofort das Billigessen von Caterern verteidigt: „Ich bin nicht der Meinung, dass Schulessen zu billig ist, um gut zu sein.“ Für den Grünen-Landtagsabgeordneten Michael Jungclaus ist der Zusammenhang klar: Durch hohen Kostendruck werde auf Massenware gesetzt, sagte er. Für knapp zwei Euro könne es „eben keine vernünftige Qualität beim Schulessen geben“.
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