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Brandenburg: Terrorist Anis Amri hatte doch einen Pass

Behörden haben Informationen nicht ausgetauscht

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Berlin - Der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, hatte offenbar einen tunesischen Reisepass. Dies wussten die Behörden durch ein abgehörtes Telefonat – die Information wurde aber nicht weitergegeben. Das ergaben die Recherchen des vom Senat eingesetzten Sonderermittlers Bruno Jost. Demnach hatte bereits im April 2016 ein Freund Amris dessen tunesischen Reisepass in einer Moschee gefunden. Der Freund rief Amri an und berichtete dies. Amris Antwort: „Mach die Bilder aus dem Pass und wirf ihn weg, ich brauch’ ihn nicht mehr.“ So hatte es Jost am 3. Juli im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses geschildert. Jetzt, eine Woche später, fordern Politiker Aufklärung darüber, warum diese Information erst jetzt ans Licht kommt.

Das Telefonat wurde nach Josts Recherchen erst zeitverzögert ausgewertet, die Informationen daraus nicht weitergeleitet. Jost kommentierte das im Ausschuss so: „Das ist insoweit interessant, als bisher nicht bekannt war, dass Amri überhaupt im Besitz eines Reisepasses gewesen ist. Die Frage stellt sich, ob nach diesem Gespräch Maßnahmen möglich gewesen wären, dieses abzuklären, oder ob man vielleicht die Polizei oder die Ausländerbehörde in Nordrhein-Westfalen darüber hätte informieren können oder sollen.“ Man hätte also möglicherweise früher den Versuch einer Abschiebung unternehmen können, so Jost.

FDP-Innenexperte Marcel Luthe sagte am Dienstag: „Wenn diesem Hinweis nachgegangen worden wäre, hätte man ihn damit vielleicht frühzeitig abschieben können. Das muss jetzt geklärt werden.“ Ähnlich äußerte sich der innenpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion und Vorsitzende des neuen Untersuchungsausschusses zum Fall Anis Amri, Burkard Dregger.

Im April 2016 hatte Amri unter Aliasnamen einen Asylantrag gestellt. Dieser war im Sommer 2016 abgelehnt worden, für Amri bestand seitdem Ausreisepflicht. Im Juli 2016 wurde nach einer Messerstecherei in einer Neuköllner Bar gegen Amri ermittelt. Kurz darauf wurde er in Friedrichshafen festgenommen, als er mit falschen Papieren in die Schweiz reisen wollte. Wenig später wurde er jedoch wieder entlassen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte erklärt, Amri habe nicht abgeschoben werden können, weil er keine gültigen Ausweispapiere hatte und Tunesien seine Staatsangehörigkeit zunächst bestritt.

In Josts Zwischenbericht, den die Senatsinnenverwaltung sofort im Internet veröffentlichte, war die Information über den Reisepass nicht enthalten. Wie Jost im Ausschuss sagte, habe er nach Fertigstellung seiner Untersuchung „vergangene Woche noch mal einige TKÜ-Protokolle nachgelesen“. TKÜ bedeutet Telekommunikationsüberwachung.

Bekanntlich hatte ein Richter die TKÜ von Anis Amri genehmigt, wegen des im Dezember 2016 bestätigten Verdachts, dass er einen Terroranschlag vorbereite. Bei dieser Telefonüberwachung hatte sich herausgestellt, dass Amri mit Drogen dealt. Hinweise auf einen geplanten Anschlag gab es damals allerdings nicht. Die Überwachung war im Sommer 2016 beendet worden. Am 31. Oktober oder 1. November nahm Amri dann in Berlin ein Video auf, in dem er den Treueeid auf IS-Anführer Al Baghdadi leistet. Mitte Dezember wurde Amri von seinem Vermieter mit der Frist 26. Dezember aus seiner Wohnung in der Freienwalder Straße im Wedding geworfen. Den Vermieter störten „die extrem radikalen islamistischen Ansichten“ von Amri, berichtete Ermittler Jost. Am 19. Dezember fuhr Amri mit einem entführten Sattelschlepper am Breitscheidplatz in den Weihnachtsmarkt. Zwölf Menschen starben. Jörn Hasselmann

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