Von Alexander Fröhlich: Teure Altlast
Hohe Kosten für Munitionsräumung in der Kyritz-Ruppiner Heide / Bundeswehr holt leichtsinnige Wanderer aus der Sperrzone
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Wittstock – Scharfe Bomben, Granaten, und Clusterminen – 1,5 Millionen Blindgänger sollen auf der Kyritz-Ruppiner Heide bei Wittstock liegen. Doch die Munitionsbergung droht deutlich teurer auszufallen als bislang offiziell vom Bundesverteidigungsministerium veranschlagt. Mit einem Aufwand von fast 400 Millionen Euro rechnet der Kommandant des am Rande des so genannten Bombodroms liegenden Bundeswehr-Standorts, Oberstleutnant Thomas Hering.
Bislang waren in der mittelfristigen Etatplanung des Ministeriums 220 Millionen Euro dafür vorgesehen – jedoch nur für den Fall, dass die Bundeswehr den Übungsplatz nutzen kann. „Ich weiß nicht auf welcher Grundlage der Kommandant zu den Zahlen kommt“, sagte ein Ministeriumssprecher den PNN. Hering erklärte hingegen, allein die Oberflächenbereinigung würde 172 Millionen Euro kosten. Für die bis zu sechs Meter tief in der Erde liegenden scharfen Bomben kämen 150 Millionen Euro hinzu, für die Entsorgung der Munition noch einmal 53 Millionen Euro.
Noch völlig offen ist, was mit dem 14 000 Hektar großen Gelände geschehen soll. Anfang Juli hatte die Bundeswehr nach jahrelangen Bürgerprotesten und Prozessen auf den früheren Schießplatz der Sowjetarmee verzichtet.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) brachte nun als ersten Schritt für die zivile Nutzung einen Radweg ins Spiel, der das Ruppiner Land mit der Prignitz verbindet. „Derzeit wirkt die Kyritz-Ruppiner Heide wie ein Sperr-Riegel. Mir liegt daran, diesen aufzubrechen.“ Für einen Radweg „wird aber der Bund gebraucht“, dem das munitionsverseuchte Gelände gehört.
Über Zukunftskonzepte beraten rund 200 Unternehmer aus der Region auf einer Tourismuskonferenz der Länder Brandenburg und Mecklenburg- Vorpommern am 14. September in Rheinsberg.
Das Verteidigungsministerium hält sich derweil zurück. „Über die weitere Nutzung wird mit allen Beteiligten gesprochen“, sagte der Sprecher. Wann die Munition entsorgt wird, ließ er offen. Brandenburgs Landesregierung hat es bislang abgelehnt, die Fläche zu übernehmen und die Bundeswehr aufgefordert, sich um die Altlasten zu kümmern.
Die Prignitzer Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann (Linke) befürchtet jedoch, dass der Bundeswehr nicht an einer baldigen Bergung gelegen sei. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Tackmanns Anfrage aus dem Jahr 2007 hervorgeht, hatte die Bundeswehr bereits in den Jahren 2000 bis 2004 etwas mehr als vier Millionen Euro für die Kampfmittelräumung ausgegeben – allerdings nur, um die Fläche für ihre Übungen herzurichten.
Standortkommandant Hering sagt: „Wir hätten besser schon gestern begonnen. Je länger die Sprengstoffe in der Erde liegen, desto gefährlicher werden sie.“ Wenn die Bergung 2010 begänne und jährlich 300 Hektar beräumt würden, könnte das Gelände bis 2030 munitionsfrei sein. Bis dahin sei das Betreten lebensgefährlich. Hering musste seit dem Verzicht der Bundeswehr auf das Bombodrom schon die Patrouillen verstärken. Mehrmals holten sie Radler, Pilzsammler, Radfahrer, selbst Familien mit Kindern aus „tiefrotem“ Sperrgebiet. Ihnen drohen Ordnungsgelder bis 150 Euro und Strafanzeigen.
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