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Schwerin in Brandenburg: Teurer Klick-Fehler?
Die brandenburgische Gemeinde Schwerin streitet vor Gericht um rund 900 000 Euro, die ihr angeblich wegen einer Verwechslung mit der großen Namenscousine in Mecklenburg-Vorpommern entgangen sind.
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Cottbus/Schwerin - Der Zensus 2011, die erste Volkszählung in Deutschland seit der Wiedervereinigung, hat die nackten Tatsachen ans Licht gebracht: Schwerin, die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern, hat 91 293 Einwohner und die kleine Namenscousine aus dem brandenburgischen Landkreis Dahme-Spreewald, die Gemeinde Schwerin, hat 786 Einwohner. Für Thomas Koriath (SPD), Amtsdirektor im Amt Schenkenländchen, zu dem die Gemeinde Schwerin gehört, war das Ergebnis der bundesweiten Erhebung mit Stichtag 9. Mai 2011 ein voller Erfolg und eine Bestätigung dessen, was ohnehin bei ihm lange als amtlich gilt: Das Dorf Schwerin hat rund 180 Einwohner mehr als bislang angenommen und ist damit in den vergangenen Jahren beim kommunalen Finanzausgleich deutlich zu kurz gekommen. Wenigstens 910 000 Euro wollen sich Koriath und die brandenburgischen Schweriner nun vor dem Verwaltunsgericht Cottbus zurückholen.
Anspruch hat die Gemeinde allerdings auf wesentlich mehr Geld, glaubt der Amtsdirektor. Immerhin habe der wundersame Einwohnerschwund bereits in den 90er-Jahren begonnen, erzählt Koriath. „Insgesamt sind uns 186 Einwohner abhanden gekommen.“ Jährlich seien der Gemeinde deshalb beim kommunalen Finanzausgleich etwa 130 000 Euro entgangen, schätzt der Verwaltungschef.
Hintergrund für die statistische Schrumpfung ist nach Koriaths Meinung eine Verwechslung der Gemeinde mit der Stadt Schwerin. „Immer wenn sich Einwohner im großen Schwerin abmelden lassen, wird uns der Einwohner abgezogen. Weil unser Schwerin in der Liste des Computerprogramms für die Einwohnermeldeämter vor der Stadt auftaucht, wird wohl aus Versehen oft der Klick bei uns gemacht“, schildert der Amtschef seine Vermutung.
Im Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, das die Einwohnerzahlen regelmäßig an das brandenburgische Finanzministerium meldet, damit dort auf deren Grundlage die Schlüsselzuweisungen berechnet werden können, hält man dagegen bislang an den alten Zahlen fest. Wer recht hat, soll nun am 27. Juni in Cottbus geklärt werden. Wenigstens für die Jahre seit 2007 wollen Amt und Gemeinde das Geld rückerstattet bekommen. „Das ist ein kurioser Fall, auch weil die Dimensionen so eklatant auseinandergehen: Die Landeshauptstadt auf der einen Seite und eine kleine Gemeinde am Teupitzer See auf der anderen Seite“, sagte Gerichtssprecher Gregor Nocon. Voraussichtlich sei am Tag der Verhandlung schon mit einem Urteil zu rechnen. Im August vergangenen Jahres war der Versuch einer Einigung zwischen dem Statistikamt und der Gemeinde Schwerin gescheitert, ein erster Verhandlungstermin im November musste verschoben werden. Mit Verweis auf das schwebende Verfahren will sich das Amt nicht zu dem Fall äußern.
Im brandenburgischen Finanzministerium gibt man sich betont neutral. „Das Land ist an das Finanzausgleichsgesetz gebunden. Und in diesem steht, dass die Basis immer die amtlichen Einwohnerzahlen sind“, doziert Ministeriumssprecher Thomas Vieweg. Sollten die amtlichen Einwohnerzahlen allerdings rückwirkend korrigiert werden, werde selbstverständlich auch die neue Grundlage verwendet. Für die Berechnung der Schlüsselzuweisung für das Jahr 2013 seien die Zensusergebnisse ohnehin bereits Grundlage, versichert Vieweg.
Auch im großen Schwerin hat man längst von der kleinen Verwechslungskomödie mit großen finanziellen Folgen gehört. „Ja, unser Schwerin steht in der Liste nicht an erster Stelle“, bestätigt Stadtsprecherin Mareike Wolf. Dass der Einwohnerschwund allerdings mit einem falschen Klick im Einwohnermeldeamt der Stadt zu erklären ist, glaubt man dort nicht. „Es kann in einem Melderegister über das elektronische Rückmeldeverfahren ein Wegzug nur verarbeitet werden, wenn der Bürger dort tatsächlich gemeldet war. Es kann also auch in der Meldebehörde der Landeshauptstadt Schwerin kein Bürger über das automatisierte Rückmeldeverfahren abgemeldet werden, der in der Gemeinde Schwerin, Amt Schenkenländchen, gemeldet ist, da der Bürger nicht im Melderegister der Landeshauptstadt Schwerin zu finden ist“, erläutert Wolf. Selbst wenn der Mitarbeiter bei der Bearbeitung auf Übernahme der Daten drücke, ohne diese zu prüfen, könne der Datensatz nicht verarbeitet werden.
Amtsdirektor Koriath hingegen geht davon aus, dass Amt und Gemeinde in Cottbus Recht bekommen. „Das Gericht hat nur auf das Zensus-Ergebnis gewartet“, meint der Verwaltungschef siegessicher.
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