Von Sabrina Gorges und Hagen Ludwig: Tod auf dem Schießstand
Auf einem Schießplatz in Sachsen-Anhalt wurden drei Menschen erschossen – zwei davon kamen aus Brandenburg. Schnell gab es einen Verdächtigen und bald darauf eine vierte Leiche
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Genthin / Brandenburg/Havel - Am Maschendrahtzaun hängt ein gelbes, zerbeultes Schild. „Schießstand. Betreten verboten“ steht darauf. Das riesige Tor ist massiv, Stacheldraht soll vor Eindringlingen schützen, und die riesigen Bäume versperren jegliche Sicht. Auf dem dahinter gelegenen Freiluftschießstand der Jägerschaft Genthin in Sachsen-Anhalt sind am Donnerstag drei Menschen gestorben, zwei davon aus Brandenburg. Sie wurden erschossen – auf einem weitläufigen Gelände, das nur etwa 600 Meter vom Genthiner Ortsteil Hüttermühle, einem Imbiss und einem Autohaus entfernt liegt.
Nach ersten Erkenntnissen der Ermittler tötete ein 28-Jähriger die drei Menschen – und sich daraufhin wohl selbst. Eine Leiche, mit größter Wahrscheinlichkeit die des 28-Jährigen, wurde am Freitagmittag bei Haldensleben neben einem Auto gefunden, rund 75 Kilometer von dem Schießstand entfernt. Bei den auf der Anlage entdeckten Toten handelt es sich laut PNN-Informationen um eine 44-jährige Frau aus der mittelmärkischen Gemeinde Beetzsee und deren 25-jährigen Sohn aus der Stadt Brandenburg sowie den 62 Jahre alten Schießplatzwart. Bekannt ist, dass der junge Mann aus Brandenburg häufiger zum Schießen nach Genthin kam.
„Wir wissen, dass die Opfer auf dem Gelände erschossen wurden und dass es nicht Tage, sondern nur Stunden her ist“, sagt Polizeisprecher Thomas Kriebitzsch. Über das Motiv der Tat gibt es zunächst keine Klarheit. Vermutet wird, dass Täter und Opfer sich kannten. Spekulationen über ein Familiendrama oder eine Beziehungstat machen die Runde. „Es ist doch eher unwahrscheinlich, dass man sich nachts auf einem Schießplatz trifft“, so ein Ermittler.
Der 28-Jährige gerät nach Zeugenbefragungen schnell in das Visier der Polizei. Stundenlang wird nach dem Mann und seinem Auto gesucht. Nach Aussagen von Zeugen flüchtete er mit einem silberfarbenen Citroen Saxo mit einem JL- Kennzeichen aus dem Jerichower Land. Ob der Mann tatsächlich der mutmaßliche Dreifachmörder von Genthin ist, könne laut Staatsanwaltschaft erst in der kommenden Woche mit Sicherheit gesagt werden. Zunächst müsse geprüft werden, wie er zu Tode kam und ob es sich tatsächlich um den Verdächtigen handelt, sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Zu untersuchen sei auch, ob die beiden Männer und die Frau mit derselben Waffe erschossen wurden – und die ballistischen Untersuchungen könnten länger dauern, so der Sprecher.
Allzu große Hoffnungen auf weitere Hinweise aus dem nahe gelegenen Wohngebiet hat die Polizei nicht: Der Knall von Schüssen gehört hier zur Normalität. „Das Gelände ist doch riesig“, sagt ein Handwerker aus der Region, der sich am nahe gelegenen Imbiss einen Kaffee gönnt und auf das Waldstück blickt. „Das war doch alles geplant“, vermutet er. „Wie im Krimi. Der hat die da hinbestellt und dann ermordet.“ Der Notruf ging am Donnerstag um 22.45 Uhr bei der zuständigen Dienststelle ein. „Hier liegen drei leblose Personen“, waren nach Aussage von Polizeisprecher Kriebitzsch die Worte, mit denen sich ein Wachmann während seines Kontrollgangs meldete. In der frostig-kalten Nacht kommen rund 300 Beamte, Fährtenhunde und ein Hubschrauber rund um den Schießstand zum Einsatz.
Ralph Völker, Sprecher des Polizeireviers Jerichower Land, ist am Freitagmittag einer der letzten, die am Tor zum Schießstand ausharren. „Hier ist alles getan“, sagt er. An dem Tor hängt ein großes Schild, auf dem die Öffnungszeiten und die Handynummer des Vorsitzenden der Genthiner Jägerschaft stehen. „Er war hier und hat die Kollegen über das Gelände geführt“, sagt Völker. Für Nachfragen - und das dürften viele sein - ist der Mann nicht zu erreichen.
Genthin ist eine Kleinstadt mit rund 15 000 Einwohnern rund 50 Kilometer nordöstlich von Magdeburg an der Grenze zwischen Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Sie ist bekannt als Standort der Waschmittelproduktion.
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