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Brandenburg: Todesschüsse am Kotti

Ein 32-Jähriger wird in Kreuzberg ermordet. Die Täter sollen Rocker sein

Stand:

Berlin - Die Polizei fahndet nach zwei oder drei bewaffneten Rockern, die am Kottbusser Tor einen Mann getötet haben sollen. Sie werden verdächtigt, in der Nacht zum Sonntag einen 32-Jährigen erschossen zu haben. Szene-Kennern zufolge gehören sie dem türkischen Flügel der Hells Angels an. Die Fraktion innerhalb der berüchtigten Bruderschaft fällt immer wieder durch Gewalt, Schutzgelderpressung und Drogenhandel auf.

Zeugen hatten in der Nacht zu Sonntag gegen 22 Uhr in einem Durchgang in der Adalbertstraße mehrere Schüsse gehört und einen Mann wegrennen sehen. Später fanden sie den 32-Jährigen Deutschtürken, der im Oberkörper getroffen war. Ein Rettungswagen brachte den Mann in eine Klinik, wo er starb. Am Tatort standen zwei schwarze Motorräder – offenbar Harleys, wie sie bei den Hells Angels üblich sind. Ob sie in Zusammenhang mit der Tat stehen, ist noch unklar. Die Polizei hält sich bislang bedeckt. Die 6. Mordkommission ermittelt. Auch Innensenator Frank Henkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend: „Wir kennen die genauen Hintergründe dieses brutalen Verbrechens noch nicht. Es wird in alle Richtungen ermittelt. Selbstverständlich wird die Polizei dabei auch mögliche Rockerbezüge prüfen.“

Der Tatort liegt an an einem Kinderspielplatz. Am Sonntag sah man dort noch Reste des Polizei-Absperrbandes und einen Blutfleck. Jemand hatte eine Blume gelegt und mit Kreide aufs Pflaster geschrieben: „Angels never die. Du wirst niemals vergessen!“ Unklar ist, ob der Tote tatsächlich Kontakte zu den Hells Angels hatte. Er soll einst den „36 Boys“ angehört haben soll. Die Jugendgang, der sich in den 90ern bis zu 100 Kreuzberger angeschlossen hatten, gilt inzwischen als Kult.

Immer wieder kamen am Sonntag Männer am Tatort vorbei und hielten inne. „Das ist unglaublich“, sagte ein Anwohner, dessen Wohnung über dem Tatort liegt. „Ich habe zwei kleine Kinder, die hier jeden Tag spielen.“ Das Opfer sei der Schwager seines Cousins gewesen, habe zwei Kinder und eine Frau gehabt. Seine Frau habe den Vorfall mitbekommen. „Sie hat erst die Schüsse und dann die Schreie gehört“, sagte er. Er mutmaßte, dass der Erschossene in einen Rockerstreit gekommen sei: „Er wollte nur schlichten, ist dann aber zwischen die Fronten geraten.“

Dass es bei dem Streit um Drogen ging, davon geht auch Ercan Yasaroglu, Betreiber des „Café Kotti“, aus: „Der Kotti ist wie ein großer Drogenmarktplatz. Da wollen alle Gruppen ein Stück vom Kuchen abhaben.“ Er habe die Schüsse gehört und von Weitem den Mann auf dem Boden liegen sehen. Er kenne das Opfer vom Sehen. Andere wollen nicht mit der Presse sprechen. Ein Passant sagt: „Was schreibt ihr denn? Das ist doch normal hier.“

Das Kottbusser Tor ist seit Jahren ein viel frequentierter Treff nordafrikanischer Kleindealer, die von arabischen Clans und türkischen Großhändlern beliefert werden sollen. Seit einigen Jahren nimmt die Verwahrlosung zu – und damit Taschendiebstähle, sexuelle Übergriffe und Schlägereien. Einen Tag vor den Schüssen war ein 23-jähriger Passant von drei Männer niedergestochen und ausgeraubt worden. Unabhängig vom „Kotti“ ändert sich auch das Milieu: Die Grenzen zwischen arabischen Clans, klassischen Rockern und jugendlichen Banden sind fließend – und im Kampf um Reviere und Profite halten Allianzen meist nicht lange. Vor einer Woche war ein Rocker in Lichtenberg erschossen worden. Er gehörte zur „Guerilla Nation”, einer Truppe arabischer, deutscher und türkischer Männer. F. Hackenbruch/H. Heine

F. Hackenbruch, H. Heine

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