Von Jörn Hasselmann: Toter tagelang unentdeckt
Leichenfund auf Toilette des Virchow-Klinikums Gesundheitsbehörde fordert Aufklärung
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Berlin - Nach dem Fund eines Drogenabhängigen auf einer Toilette an der Charité in Wedding hat das Krankenhaus Versäumnisse zurückgewiesen. Wie berichtet, war ein 29-Jähriger am Mittwochmorgen erst gefunden worden, nachdem Verwesungsgeruch auf der Station für Nierenheilkunde bemerkt worden war. Ein Schlosser öffnete die Tür. Dies hatte das Krankenhaus erst mit fast zweitägiger Verzögerung am Donnerstagabend bekannt gegeben. Vermutlich hat der drogensüchtige Stefan G. fünf Tage in der verriegelten Behindertentoilette gelegen. Einen Verdacht auf ein Verbrechen gibt es nicht, teilte die Polizei mit. Eine Obduktion soll die genaue Todesursache und die genaue Todeszeit klären. Die Gesundheitsverwaltung forderte das Krankenhaus gestern auf, den Vorfall genau zu klären. „So etwas darf nicht passieren“, sagte Regina Kneiding, die Sprecherin der Gesundheitssenatorin. „Es gibt genaue Vorschriften zu Hygiene und Sauberkeit, die auch einzuhalten sind“, sagte Kneiding.
Die Charité verwies gestern darauf, dass offensichtlich die Putzfrauen auf die Reinigung verzichtet hatten, weil die Toilette besetzt war. Durch „Personalwechsel“ sei dies auch mehrere Tage hintereinander nicht aufgefallen, vermutet die Charité. Dagegen hieß es in anderen Kliniken, dass so etwas nicht passieren dürfe. Im Unfallkrankenhaus Berlin werden alle Toiletten „mindestens einmal am Tag“ gereinigt, auf den Stationen und der Rettungsstelle mehrmals am Tag. In einer anderen großen deutschen Klinik hieß es, dass Putzfrauen die Anweisung hätten, die Stationsaufsicht zu informieren, wenn eine Toilette längere Zeit besetzt sei.
Stefan G. war nach offiziellen Angaben der Klinik am Abend des 6. März von Mitarbeitern in einem Flur der Klinik dem Personal aufgefallen. Da er erregt wirkte, sei er in die Notaufnahme des Universitätskrankenhauses gebracht worden. „Der 29-Jährige war ansprechbar und sein Kreislauf stabil“, sagte Kliniksprecherin Kerstin Endele. Bei ihm sei ein Spritzbesteck zum Drogenkonsum gefunden worden, das ihm abgenommen wurde. Der Mann habe eine weitere Behandlung abgelehnt und nach etwa zehn Minuten die Notaufnahme auf eigenen Wunsch verlassen. „Da eine akute Vitalgefährdung zu diesem Zeitpunkt sicher auszuschließen und die Geschäftsfähigkeit ausreichend gegeben war, wurde keine polizeiliche Suche veranlasst“, teilte die Klinik mit.
Doch das Klinikgelände dürfte der in Dresden gemeldete Stefan G. nicht mehr verlassen haben. Erst gegen 9 Uhr am 11. März war auf der Station 45 für Nierenheilkunde ein strenger Geruch aus der Behindertentoilette aufgefallen. Da diese verriegelt war, wurde ein Schlosser gerufen. Dieser fand die Leiche. Der Leichnam zeigte nach Angaben der Polizei bereits Anzeichen von Verwesung. Nach Justizangaben gibt es bislang keine Ermittlungen gegen die Klinik, zunächst müsse das Obduktionsergebnis abgewartet werden.
Mehrmals waren in Berliner Krankenhäusern in den letzten Jahren Tote gefunden worden, meist waren es Patienten. Sie waren fast immer unbemerkt in Technikräume gelangt und dort gestorben (siehe Kasten). Nach dem letzten Todesfall im Neuköllner Krankenhaus hatte der Vivantes-Konzern 2006 angekündigt, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen. Nahezu zeitgleich war ein 68-jähriger Rollstuhlfahrer in einem Fahrstuhl der Benjamin-Franklin-Klinik in Steglitz eingesperrt gewesen. Nachdem er gesund befreit werden konnte, hatte der Betreiber Charité „Fehler“ zugegeben.
Der technische Leiter eines großen Krankenhauses sagte, dass Technikräume in Kliniken ständig verschlossen bleiben müssten. Die Trennung zwischen öffentlichem und technischen Bereich müsse ausnahmslos gewährleistet sein. Das hat zwei Gründe: Manche Räume müssen nur alle paar Monate zu Revisionen begangen werden, und andere sind so verwinkelt, dass sie nur mit sehr großem Aufwand abgesucht werden können. Zudem gehörten verwirrte, demente oder süchtige Menschen in einem Krankenhaus zum Alltag – sie bedürften besonderer Aufmerksamkeit.
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