Brandenburg: Totgefahren und ausländerfeindlich beschimpft
In Cottbus ist eine Gaststudentin bei einem Unfall tödlich verletzt worden. Nun wird auch wegen Volksverhetzung ermittelt
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Cottbus/Potsdam - Es geschah in der Nacht auf Karsamstag mitten im Zentrum von Cottbus an einer Tram-Haltestelle. Shaden M. wurde um 0.20 Uhr vor der Stadthalle auf einer Tempo-30- Straße von einem Auto – mit erhöhter Geschwindigkeit – erfasst. Sie soll plötzlich auf die Fahrbahn gegangen sein. Drei Tage später erlag die 22-Jährige aus Ägypten, die als Gaststudentin der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) in Cottbus war, ihren schweren Verletzungen.
Erst seit Dienstag, eine Woche nach dem Tod der jungen Frau und eineinhalb Wochen nach dem Unfall, ermittelt die Polizei nun nicht mehr nur gegen den 20-jährigen Fahrer des alten Hondas mit Dresdner Kennzeichen wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr. Auf Weisung von Brandenburgs Polizeipräsidenten Hans-Jürgen Mörke läuft seit Dienstag beim Staatsschutz gegen die beiden Mitinsassen aus dem Cottbuser Raum ein offizielles Verfahren wegen Volksverhetzung und Beleidigung. Auch die Staatsanwaltschaft reagierte am Mittwoch. Sie ermittelt laut „Bild“-Zeitung ebenfalls wegen Volksverhetzung. Mörke lässt intern zudem prüfen, ob die Beamten in Cottbus einen Verdacht auf eine politische Straftat unterschlagen haben. Es soll im Zuge der Ermittlungen untersucht werden, wer was und wann gewusst hat, wie es in Potsdam hieß.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch den Augenzeugenbericht einer 19-jährigen Schülerin, den sie zu Wochenbeginn veröffentlicht hat. Und ihre Darstellung ist, nachdem die Polizei mehrere Zeugen vernommen hat, bestätigt worden. Demnach soll der Wagen nach dem Unfall ein paar Hundert Meter weiter gehalten haben. Während sich Passanten und Mitstudenten von Shaden M. um die blutüberströmt am Boden liegende Verletzte kümmerten, der Fahrer sich selbst ruhig verhielt, sollen die Insassen gemächlich herangeschlendert sein. Und sie sollen Sätze wie diesen gesagt haben: „Ja, mir ist klar, dass es bei euch keine Straßen gibt, aber in Deutschland muss man eben auf die Straße gucken.“ Oder: „Verpisst euch doch einfach wieder in euer Land, dann werdet ihr nicht angefahren – scheiß Asylanten.“ Dabei sollen sie gelacht haben.
Bei der Polizeiführung hat vor allem für Unmut gesorgt, dass die örtliche Polizei nicht von selbst alle Umstände – auch politische Hintergründe – rund um den Umfall geprüft hat und die Vorgänge stattdessen erst von der Schülerin und am Dienstag von der „Lausitzer Rundschau“ publik gemacht wurden. Denn in Cottbus ist die Lage mit einer harten rechten Szene aus Neonazis, Hooligans und Kampfsportlern angespannt. Der Polizeiführung und dem Innenministerium bereiten die jüngsten Entwicklungen in der Stadt Sorgen.
Im Januar waren 120 Rechtsextremisten vermummt und mit Fackeln über den Altmarkt, den zentralen Platz der Stadt, gezogen. Die Sicherheitsbehörden hatten von der aufwendig durchgeplanten Aktion im Vorfeld nichts mitbekommen, die Polizei wurde von dem Aufmarsch überrumpelt und konnte nichts ausrichten. Hinzu kommt auch ein für die Polizeibehörde unangenehmer Umstand. Seit dem Skandal um die Morde des Neonazi-Terrortrios NSU gibt es eine Anweisung an alle Polizeibeamten, mit der Brandenburg als bundesweites Vorbild gilt. Demnach müssen Polizeibeamte n bei jeglichen Straftaten Hinweise auf politisch motivierte Kriminalität prüfen. Die Beamten werden auch geschult. Bei der von Polizeipräsident Mörke nun angewiesenen Untersuchung wird es auch um die Frage gehen, ob das Prüfsystem versagt hat.
Der Leichnam von Shadem M. ist von der Staatsanwaltschaft vor einer Woche freigegeben und dann nach Ägypten überführt worden.
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