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Von Jana Haase: Transparenz-Streit: Neuruppin verklagt Stadtverordnete
Vier Stadtverordnete wehren sich gegen ihren eigenen Transparenz-Beschluss. Jetzt bringt die Kommune den Fall vor das Verwaltungsgericht
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Neuruppin - Die Schlagzeilen aus dieser Stadt erinnerten lange Zeit an das Drehbuch eines politischen Thrillers. Drogen, Waffen, Glücksspiel, Geldwäsche, Bestechung von Amtsträgern – und eine selbsternannte „Familie“ mit dem XY als Erkennungsmal auf den Nummerschildern ihrer Limousinen. Die Rede ist von der Fontanestadt Neuruppin, die böse Zungen bereits in „Neukorruppin“ umgetauft hatten. Als Schritt hin zu transparenten Verhältnissen wollten die Neuruppiner Stadtverordneten im Internet Angaben über ihre Arbeitgeber, Nebentätigkeiten und ehrenamtlichen Funktionen veröffentlichen. Eine entsprechende Transparenzregelung gilt seit Ende 2008. Aber nicht alle 32 Abgeordneten hielten sich auch daran. Jetzt will die Stadt vier von ihnen – drei SPD-Politiker und ein Mitglied der Fraktion „Pro Ruppin“ – vor dem Verwaltungsgericht Potsdam verklagen, weil sie ihre Daten nicht im Netz veröffentlichen.
Für Bürgermeister Jens-Peter Golde (Pro Ruppin) geht es bei der angestrebten Klage vor allem um eines: „Wir wollen einfach Rechtssicherheit, inwieweit das Kommunalrecht durchsetzbar ist. Können Verstöße geahndet werden oder ist alles nur politisches Bekenntnis?“, erklärte er den PNN. Die Kommunalaufsicht hatte der Stadt zuvor bereits mitgeteilt, dass die Kommunalverfassung selbst keine Sanktionen vorsieht und nur der Gang vors Verwaltungsgericht bleibt.
Mit denkbar knapper Mehrheit stimmte das Stadtparlament auf seiner letzten Sitzung für den Rechtsweg: elf Ja- zu neun Nein-Stimmen lautete das Ergebnis, vier Stadtverordnete enthielten sich, drei erklärten sich für befangen. Zwei der vom Klage-Beschluss Betroffenen waren erst gar nicht zur Sitzung gekommen, wie Stadtsprecherin Rachael Kayser sagte.
Den vier Politikern – sie waren gestern bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen – gehe es nicht um die in der Kommunalverfassung festgeschriebene Informationspflicht, sondern um die Veröffentlichung der Daten im Internet, betonte Bürgermeister Golde. Schon vor dem Internet-Beschluss mussten alle Stadtverordneten die Angaben zur ihren beruflichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten melden – dem seien auch die vier Abgeordneten nachgekommen. Jeder erhalte auf Anfrage beim Stadtverordnetenvorsteher Auskunft über sie. Durch die Veröffentlichung im Internet jedoch sehen die vier Politiker ihr Recht auf „informationelle Selbstbestimmung“ gefährdet.
Neuruppin begründet den Transparenz-Beschluss auch mit der angestrebten Mitgliedschaft bei der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Deutschland. Aus dem gleichen Grund plane die Stadt weitere Änderungen in der Verwaltung, wie Sprecherin Rachael Kayser sagte: So soll etwa das Tiefbauamt, bislang ein Eigenbetrieb mit Beteiligung der Stadtwerke, wieder unter das Dach der Verwaltung zurückkehren. Die Stadt habe außerdem ihre Dienstanweisungen überarbeitet und von Transparency Deutschland prüfen lassen.
Die Anti-Korruptions-Organisation begrüßte die jetzt beschlossene Klage. „Dass der Wille da ist, dem eigenen Beschluss zum Recht zu verhelfen, sehen wir positiv“, sagte Vorstandsmitglied Jochen Bäumel den PNN. Den von den Betroffenen ins Feld geführten Konflikt mit dem Datenschutz kann Bäumel indes nicht sehen: „Wenn ich Mitglied eines Parlaments bin, repräsentiere ich andere Wähler und entscheide für sie. Da muss ich auch bestimmte Angaben über meine Person und meine finanziellen und beruflichen Einflüsse machen.“ Nur so könnten Interessenkonflikte ausgeschlossen werden. Bestätigt sieht Bäumel seine Meinung durch ein Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2007. Damals hatten einige Bundestagsabgeordnete gegen eine Richtlinie geklagt, die unter anderem die Offenlegung ihrer Nebentätigkeiten vorsieht. Nach Ansicht der Richter ist die Regelung jedoch verfassungskonform.
Zu der Frage, ob sich der Klageausgang auf die geplante Aufnahme Neuruppins als TI-Mitglied auswirken kann, wollte sich Bäumel nicht äußern. Von Brandenburgs Kommunen ist bisher nur die Landeshauptstadt Mitglied bei TI.
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