Von Matthias Matern: Trauriger Rekord
Deutsche Kommunen erwarten für 2010 höchsten Schuldenberg aller Zeiten Brandenburgs Städte und Gemeinden liegen voll im Trend
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Berlin/Potsdam - Die Kämmerer in den Deutschen Städten und Gemeinden steuern auf einen Rekord zu allerdings auf einen unerfreulichen. Aktuellen Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge stieg die Verschuldung der Kommunen in den ersten sechs Monaten des Jahres bereits auf 7,8 Milliarden Euro. Das seien etwa 3,6 Milliarden Euro mehr als im ersten Halbjahr 2009. Bis Ende des 2010 erwarte er für die Kommunen mit einem Minus von rund 15 Milliarden Euro das „höchste Defizit ihrer Geschichte“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, am Dienstag. Grund seien Einbrüche bei der Gewerbesteuer infolge der Wirtschaftskrise und ein Anstieg der Sozialausgaben um mehr als acht Prozent.
Belastbare Zahlen für das Land Brandenburg liegen noch nicht vor. Doch Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des brandenburgischen Städte- und Gemeindebundes, glaubt, dass die Bundeswerte im Verhältnis „absolut übertragbar“ seien. „Wegen der oft besonders hohen Sozialkosten vor allem in den kreisfreien Städten Brandenburgs könnte das Ergebnis sogar noch schlechter ausfallen.“
Bundesweit stagnierten die Einnahmen aller Kommunen, ausgenommen der Stadtstaaten, laut der Statistiker bei rund 76,8 Milliarden Euro. Die Ausgaben stiegen dagegen auf knapp 85 Milliarden Euro. Wegen der Kofinanzierung von Projekten aus den Konjunkturpaketen der Bundesregierung legten allein die Bauausgaben um 20 Prozent zu. Die Einkünfte aus der Gewerbesteuer sanken jedoch um knapp sieben Prozent. „Auch in Brandenburg müssen Kommunen derzeit vermehrt Geld aus den Gewerbesteuervorauszahlungen zurückerstatten, weil die Unternehmen weit weniger Gewinne erwirtschaftet haben, als angenommen“, berichtet Böttcher.
Dabei ist die finanzielle Lage vieler Städte und Gemeinden im Land Brandenburg bereits seit längerem prekär. Nach Schätzung Böttchers befinden sich mehr als die Hälfte aller Kommunen im Land wegen ihrer erheblichen Schulden in der sogenannten Haushaltssicherung und müssen sich ihre Finanzplanungen vom Land absegnen lassen.
So zum Beispiel die kreisfreie Stadt Brandenburg an der Havel, die erstmals 2003 ein Haushaltssicherungskonzept vorlegen musste. Selbst in den Boomjahren 2007 und 2008, als aufgrund der guten wirtschaftlichen Entwicklung reichlich Gewerbesteuer floss, blieb die Stadt auf einem Defizit von sieben Millionen Euro sitzen. „Es ist uns nicht gelungen den Fehlbetrag abzubauen“, bestätigt Stadt-Kämmerer Steffen Scheller. Durch die Krise seien etwa sieben Millionen Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer verloren gegangen, berichtet Scheller. Gleichzeitig seien die Sozialausgaben deutlich gestiegen, vor allem weil die Stadt immer öfter schmale Renten bezuschussen müsse. „Eigentlich war es unser Ziel, 2016 einen ausgeglichen Haushalt vorzulegen. Mal abgesehen von den alten Schulden“, schränkt der Kämmerer ein. Doch hinter dem Datum sehe er nun ein kleines Fragezeichen.
Aus Böttchers Sicht hat das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Bundesregierung vom Ende des vergangenen Jahres die Lage nochmals verschärft und für weitere Steuerausfälle in Höhe von 20 Millionen Euro gesorgt. Am Dienstag forderte bereits Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der Bundestag solle sofort einen Rettungsschirm für Kommunen verabschieden, um die Folgen der „verkorksten schwarz-gelben Steuer- und Finanzpolitik“ abzufedern.
Ein gleiches Signal wünscht sich Karl-Ludwig Böttcher auch von der brandenburgischen Landesregierung. Doch mit der rot-roten Koalition in Potsdam steht der Städte- und Gemeindebund-Chef wegen der Novellierung des kommunalen Finanzausgleichs derzeit auf Kriegsfuß. Statt mehr Geld, wie von den Kommunen gefordert, bekämen die Städte und Gemeinden künftig sogar jährlich gut 200 Millionen Euro weniger, klagt Böttcher.
Nach einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young aus dem Sommer wollen die klammen Kommunen der Finanzmisere mit höheren Gebühren und reduzierten Leistungen begegnen. Rund 14 Prozent gaben an, auch Bäder schließen zu wollen. 31 Prozent wollten bei der Straßenbeleuchtung sparen. Auch im Land Brandenburg werde bereits in einigen Orten nachts „punktuell“ die Straßenbeleuchtung abgeschaltet, berichtet Böttcher. „Vor dem Schließen wichtiger öffentlicher Einrichtungen warnen wir.“ Darunter leide letztlich nur die Lebensqualität.
In Brandenburg an der Havel dreht man erstmal an der Personalschraube in der Verwaltung. Nur noch jede vierte frei werdende Stelle könne neu besetzt werden, sagt Kämmerer Scheller. Dafür müssten die verbleibenden Mitarbeiter dann mehr arbeiten. Für die Bürger könne dies letztlich längere Wartezeiten, etwa in der Zulassungsstelle, bedeuten.
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