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Isoliert zum Fest. Die bleibt etwa 80 Straftätern im Land Brandenburg in diesem Jahr erspart. Sie profitieren von der Weihnachtsamnestie. Für die restlichen mehr als 1300 Häftlinge gibt es Weihnachtsbäume, Geschenke, Festschmaus und Gottesdienste.

© dapd

Brandenburg: Truthahn und Rotkohl hinter Gittern

Weihnachten lässt auch schwere Jungs nicht kalt. Die meisten sind froh, wenn die Festtage vorüber sind

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Potsdam - Die Weihnachtstage gelten als die schwierigste Zeit im Gefängnis. „Man merkt, wie die Häftlinge darüber nachdenken, dass sie isoliert sind von Familie und Freundeskreis“, berichtet Hermann Wachter, Leiter der Haftanstalt Brandenburg/Havel. Rund 350 Gefangene sitzen derzeit bei ihm ein und verbringen damit die Festtage hinter Gittern. Zu den prominenteren gehört Hotelchef Alex Hilpert, der in der Untersuchungshaft auf seinen Prozess im Januar vor dem Landgericht Potsdam wartet. Statt Gourmetgericht erwartet ihn Gefängniskost - denn Extrawürste gibt es nicht mehr.

Früher genossen Untersuchungshäftlinge diesbezüglich gewisse Vorteile: Theoretisch konnten sie Essen beim Pizzadienst ordern – oder eben im eigenen Hotel. „Das war aber eher in der Theorie eine Möglichkeit“, so Wachter. „Wir müssen uns die Lieferung ja wegen der Verdunklungsgefahr genau anschauen. Da wird eine Roulade aufgerollt“. Inzwischen obliege dem Land Brandenburg die Verantwortlichkeit für den Strafvollzug – und dies habe entsprechende Sonderregeln für die Untersuchungshaft abgeschafft.

Damit muss – Promi oder nicht – gegessen werden, was auf den Tisch kommt. Es könnte dennoch munden, denn an den Festtagen gibt es auch im Gefängnis Leckereien: Traditionellem Kartoffelsalat mit Würstchen am Heiligabend folgen Truthahnkeule mit Rotkohl am ersten Weihnachtstag. Am zweiten Feiertag gibt es dann Rindergulasch und Kartoffelklöße. Nicht zu vergessen der 750 Gramm schwere Stollen, den jeder Häftling erhält.

Weihnachten im Knast: Etwa 80 Straftätern bleibt dies laut Justizministerium auf den letzten Drücker erspart. Sie profitieren von der Weihnachtsamnestie in Brandenburg und wurden vorzeitig entlassen. Für die restlichen mehr als 1300 Häftlinge gibt es in den sechs Gefängnissen des Landes Weihnachtsbäume, Geschenke, Festschmaus und Gottesdienste – fast wie „Draußen“. Aber eben nur fast.

Oliver Allolio, Leiter der Anstalt Cottbus-Dissenchen, beschreibt die Festtage als Gratwanderung zwischen Feierlichkeit und Depression.

„Wir müssen aufpassen, dass wir es nicht zu gefühlsduselig machen.“ Rund 330 Insassen befinden sich in seiner Obhut. Mit sportlichen Turnieren sowie Skat und Dart sollen sie abgelenkt werden.

In Brandenburg/Havel sitzen Straftäter ein, die zu hohen oder gar lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Da kann die Stimmung schnell kippen - und gefährlich werden. In so einem Fall eilen Seelsorger ins Gefängnis. „In der Regel genügt es aber, ein persönliches Gespräch mit dem Gefangenen zu führen“, berichtet Anstaltschef Wachter. An diesem Punkt zahlt sich aus, was die Justizverwaltung sonst sorgenvoll betrachtet: das hohe Lebensalter der Beschäftigten. „Sie verfügen über langjährige Erfahrung und sind sensibilisiert, die Gemütslage zu erfassen“, meint er.

In Lukau-Duben sorgen Kochduelle in der Vorweihnachtszeit für Abwechslung. „Die Häftlinge treten gegeneinander an, die besten werden prämiert“, schildert Leiter Hanns-Christian Hoff. Der Spaß beinhaltet ein pädagogisches Ziel: „Die Gefangenen sollen - in Vorbereitung auf die Entlassung - lernen, mit wenig Geld gut und ernährungsbewusst zu kochen.“ Die rund 300 Häftlinge, darunter auch 37 Frauen, denken jedoch auch an andere. „Unsere Insassen sind ja nicht von Kopf bis Fuß und rund um die Uhr Straftäter“, meint Hoff. Unter dem Motto „Gefangene mit Herz“ basteln sie Geschenke, die „Draußen“ von Ehrenamtlichen auf Weihnachtsmärkten verkauft werden. Sterne und Indianerschmuck waren diesmal dabei, berichtet Sozialarbeiterin Ute Berg. Der Erlös geht an ein Kinderhilfswerk in Afrika. „Letztes Jahr haben wir sieben Kinder ein Jahr lang durchgefüttert“, so Berg. Der Erlös habe bei rund 450 Euro gelegen. „Das wollten die Gefangenen in diesem Jahr toppen.“

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