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Brandenburg: Türkische Spaltung

Fünf Schulen in Berlin gehören zum Netz von Erdogans Gegner Gülen. Nun gibt es Kündigungen

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Berlin - Dem Schulbeginn am kommenden Montag sieht Irfan Kumru mit Sorge entgegen: Wie viele seiner 500 Schüler werden ihre alten Plätze wieder einnehmen und wie viele in den ersten Klassen neu beginnen? Wer wird kündigen und seiner Schule den Rücken kehren?

Kumru ist Vorsitzender des Vereins Tüdesb, der zum Netzwerk der Gülen-Bewegung zählt und in Berlin nicht nur fünf Schulen, sondern auch Kitas und Nachhilfeinstitute betreibt. Seitdem der im US-Exil lebende geistliche Führer Fethullah Gülen von der türkischen Regierung als Drahtzieher des Putschversuchs angefeindet wird, gerät auch Tüdesb in Schwierigkeiten; noch allerdings nur verhalten, weil Ferien sind. Das wahre Ausmaß der Spaltung zwischen den Familien, die für oder gegen Gülen sind, wird sich erst ab nächster Woche zeigen.

Klare Anzeichen dafür, dass der Konflikt an den Schulen schon angekommen ist, gibt es allerdings schon: „ Aktuell wurden insgesamt 63 Abmeldungen registriert. Das wären etwa zwölf Prozent“, rechnet Kumru vor. Natürlich gebe es immer zum Schuljahresende Kündigungen, aber nie so viele wie jetzt. Allerdings wundert sich Kumru darüber nicht, denn immerhin 90 Prozent der Schüler sind türkischer Herkunft. An anderen Gülen-Schulen im Bundesgebiet hat sogar jeder fünfte Schüler gekündigt.

Darauf könnte es aber auch in Berlin hinauslaufen, denn viele Familien haben die sechs Ferienwochen in der Türkei verbracht und waren somit intensiv der Propaganda der Erdogan-Regierung ausgesetzt. Auch manche Menschen, die mit den Schulen aus dem Gülen-Netzwerk zufrieden seien, entschieden sich für eine Kündigung, weil sie von Verwandten oder Freunden unter Druck gesetzt würden, berichten Betroffene: Manche hätten einfach die Befürchtung, zu Außenseitern zu werden, andere wiederum gerieten wirtschaftlich in Bedrängnis, weil es Boykottaufrufe gegen ihre Geschäfte gebe. „Oft wird aus dem Umfeld Druck ausgeübt“, bestätigt Kumru.

Tüdesb macht aus der Nähe zu Gülens Ideenwelt keinen Hehl. Allerdings betont Kumru: „Nicht jeder Mitarbeiter fühlt sich Gülen nah.“ Er selbst ziehe aus den Ideen „die Motivation und den Elan Gutes zu tun“. Das sei aber eine „private Sache“. Der Landesvorsitzende des Zentralrats der Muslime, Mohamad Hajjaj, ist allerdings optimistisch, dass es in Berlin nicht derart handgreifliche Auseinandersetzungen zwischen Erdogan- und Gülen-Anhängern geben wird wie in anderen Bundesländern. Kadir Sanci beschreibt die Lage weniger gelassen: Kaum ein Gülen-Anhänger traue sich noch eine der von Ankara gesteuerten Ditib-Moscheen. Susanne Vieth-Entus

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