zum Hauptinhalt

Von Alexander Fröhlich: Überschuldet – weniger als befürchtet

Jeder zehnte Brandenburger ist betroffen, das aktuelle Job-Wunder dürfte den meisten kaum helfen

Stand:

Berlin/Potsdam - Fast jeder zehnte Brandenburger ist überschuldet, etwas mehr als noch vergangenes Jahr – aber doch deutlich weniger, als nach der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise befürchtet. Das geht aus dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Schuldneratlas der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervor.

Demnach können 210 000 Märker ihre Schulden und ihren Lebensunterhalt nicht aus dem monatlichen Einkommen decken. Das sind 8000 Betroffene mehr als vor einem Jahr. Die Quote zog moderat auf 9,59 Prozent an – nach Bremen der leichteste Anstieg – und liegt damit nah am deutschlandweiten Durchschnitt von 9,5 Prozent. Trotz der geringen Zunahme steht Brandenburg in der Statistik besser da, als noch im vergangenen Jahr. Die Mark rutscht im Ländervergleich um einen Rang nach oben auf Platz 6. Spitzenreiter sind Bayern (7,06 Prozent) und Baden-Württemberg vor Sachsen und Thüringen. Berlin dagegen bleibt eines der Armenhäuser Deutschlands. Jeder achte Erwachsene ist überschuldet. Die Stadt liegt mit einer Schuldnerquote von 12,67 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Schlechter ist nur noch Bremen mit 14,72 Prozent. In Berliner Problembezirken wie Wedding sind bis zu 20 Prozent der Menschen überschuldet. Für Brandenburg verzeichnete Creditreform dagegen in den vergangenen Jahren eine überaus positive Entwicklung. Im Vergleich zu den Jahren 2006 und 2007, als die Zahl der Überschuldeten mit 260 000 auf dem Höchststand war, sankt die Zahl bis heute um 50 000. Seit Beginn der Berechnungen waren die Werte nur einmal besser als in diesem Jahr – nämlich 2009.

Fest steht dennoch: Die Wirtschaftskrise 2009 hat ihre Spuren in den Geldbeuteln der Verbraucher hinterlassen, wie Jochen Wolfram, Geschäftsführer der Creditreform Berlin-Brandenburg sagte. „Aber die düsteren Prognosen des Vorjahres für 2010 haben sich bislang nicht erfüllt.“ Das sei dem überaus schnellen Wirtschaftsaufschwung, dem Konjunkturprogramm und vom Bund angeschobenen Kurzarbeit zu verdanken, was einen drastischen Einbruch am Arbeitsmarkt verhindert habe.

Inzwischen sind auch die Unternehmen in Brandenburg optimistischer und zufriedener mit ihrer Geschäftslage. Dieser aktuelle Boom sei aber kein Grund zur Entwarnung, sagte Wolfram. Denn immer mehr Menschen würden nicht von der guten Konjunkturlage profitieren. „Es gibt eine strukturelle Verschuldung, die Verschuldung verdichtet sich“. Die Zahl extrem überschuldeter Menschen habe zugenommen. Und sie kommen aus dieser Lage auch nicht mehr heraus: Denn im aktuellen Job-Wunder nehme vor allem die geringfügige oder prekäre Beschäftigung zu. Zugleich stiegen die Kosten für Wohnen und Gesundheit. Wolfram forderte daher eine bessere Insolvenz- und Schuldnerberatung. Zudem müsse mehr in Bildung investiert werden, besonders in die „Finanzkompetenz“. Kinder müssten bereits in der Grundschule den Umgang mit Geld lernen, „dass sie mit zwei Euro Taschengeld in der Woche auskommen müssen und nicht mehr ausgeben können“.

In Brandenburg selbst tut sich ein Nord-Süd-Gefälle auf (siehe Grafik). Während im Süden vorwiegend die Farben Grün bis Gelb eine geringe Quote signalisieren, dominieren im Nord-Westen Rot, Orange und Gelb. Auch im Umland von Berlin und in den Städten ist die Quote höher als in der Fläche des Landes.

Das Schlusslicht ist Brandenburg/Havel mit einer unverändert hohen Schuldnerquote von knapp 15 Prozent, gefolgt von Frankfurt (Oder) (12,6), Ostprignitz-Ruppin (10,94), Cottbus (10,75) und Teltow-Fläming (10,63). Trotz hoher Arbeitslosigkeit und wegen der Abwanderung schneiden die Prignitz mit 10 Prozent und die Uckermark auf Rang sechs mit knapp neun Prozent recht gut ab. Die geringste, an bayerische Verhältnisse heranreichende Quote weist Potsdam-Mittelmark mit 7,76 Prozent auf, gefolgt Elbe-Elster (8,2), Oberspreewald-Lausitz (8,3) und Spree-Neiße (8,46). Potsdam liegt im oberen Mittelfeld, hier sind 9,19 Menschen überschuldet, knapp 0,4 Prozent mehr als noch 2009. Doch Potsdam ist gespalten, die Quote rangiert je nach Stadtteil zwischen knapp 6 und 12,5 Prozent. In Cottbus liegt die Spannweite sogar zwischen 6 und knapp 26 Prozent.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })