Brandenburg: Unbewusste Ausgrenzung Bilanz: Brandenburgs Integrationsbeauftragte Karin Weiss beklagt zum Abschied „Alltagsrassismus“
Potsdam - Brandenburgs scheidende Integrationsbeauftragte Karin Weiss sieht das Land im Kampf gegen den Rechtsextremismus zwar gut aufgestellt, beklagt aber einen weitverbreiteten „Alltagsrassismus“. Brandenburg sei in den vergangenen Jahren „bunter und vielfältiger“ geworden, doch nach wie vor gebe es Vorurteile gegenüber Menschen mit anderer Religion oder Hautfarbe, sagte Weiss am Dienstag in Potsdam.
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Potsdam - Brandenburgs scheidende Integrationsbeauftragte Karin Weiss sieht das Land im Kampf gegen den Rechtsextremismus zwar gut aufgestellt, beklagt aber einen weitverbreiteten „Alltagsrassismus“. Brandenburg sei in den vergangenen Jahren „bunter und vielfältiger“ geworden, doch nach wie vor gebe es Vorurteile gegenüber Menschen mit anderer Religion oder Hautfarbe, sagte Weiss am Dienstag in Potsdam. Wie berichtet wechselt die 60-Jährige zum Jahresende nach Rheinland-Pfalz. Dort wird sie im Januar die Fachabteilung Integration im Ministerium für Integration, Familie, Kinder, Jugend und Frauen übernehmen. „Ich gehe mit Trennungsschmerz, da ich mich in Brandenburg sehr wohl gefühlt habe. Doch die neue Aufgabe reizt mich.“
Insgesamt zog Weiss eine überwiegend positive Bilanz ihrer fünf Jahre als Landesintegrationsbeauftragte. Die Aufgabe hatte sie im Januar 2007 übernommen und dafür ihre Lehrtätigkeit als Professorin für Sozialpädagogik an der Fachhochschule Potsdam aufgegeben. „Ich sehe eine Entwicklung, aber es muss weitergehen“, so Weiss. Denn im Kampf gegen Rechtsextremismus, Fremdenhass und Rassismus dürfe man nicht nachlassen. Ein besonders in Brandenburgs ausgeprägtes Phänomen sei der Rechtsextremismus aber nicht. Ihrer Ansicht nach könnten sich Zuwanderer dort ebenso sicher fühlen wie in anderen Bundesländern auch.
Als Erfolg ihrer Amtszeit wertete Weiss, dass es gelungen sei, „Integration als Querschnittsthema“ zu etablieren. Während früher Ausländer wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt ohnehin kaum eine Chance gehabt hätten, spiele die Zuwanderung von Fachkräften mittlerweile eine immer wichtigere Rolle. Doch häufig würden im Ausland erworbene Berufsausbildungen nicht ohne Weiteres akzeptiert. „Bei der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen liegt Brandenburg bundesweit an der Spitze“, meinte die Integrationsbeauftragte. Schule gemacht hätten etwa die Anpassungsqualifizierungen für Ärzte und Krankenpflegekräfte.
Ebenso wichtig sei es aber, eine „Anerkennungs- und Willkommenskultur“ zu schaffen, betonte Karin Weiss. „Eine ausländische Fachkraft kommt in der Regel nicht allein. Auch deren Familien wollen sich in den Kitas, in den Schulen und im Alltag wiederfinden.“ Zum Beispiel sei es wünschenswert, wenn Mitarbeiter in Verwaltungen oder anderen staatlichen Einrichtungen Grundkenntnisse über wichtige Feiertage der im Land praktizierten Religionen hätten. Einen Juden für den höchsten jüdischen Feiertag zum Finanzamt vorzuladen, sei zum Beispiel unsensibel. Immerhin lebten heutzutage nicht nur viele russisch-orthodoxe Christen und Juden in Brandenburg, sondern auch zahlreiche Muslime und Buddhisten, gab Weiss zu bedenken. In einigen Kitas wie etwa am Schlaatz in Potsdam oder in Eberswalde liege der Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund mittlerweile bei zwischen 30 und 40 Prozent.
Auch gesamtgesellschaftlich sieht Weiss noch Handlungsbedarf. „Bei der Vermittlung interkultureller Kompetenzen wäre ich gerne weitergekommen“, sagte sie selbstkritisch. Es gehe einfach um die generelle Haltung gegenüber Zuwanderern. Zwar sei der Zuzug von Spätaussiedlern und russischen Juden rückläufig, doch steige die Zahl von Flüchtlingen aus Krisenregionen wie Afghanistan oder dem Irak. Wurden 2007 noch 560 gezählt, seien es im vergangenen Jahr rund 1270 gewesen, berichtete Weiss. Häufig seien Menschen fremder Herkunft einem sogenannten „Alltagsrassimus“ ausgesetzt. Die oft zuerst gestellte Frage nach der Herkunft sei zwar meist „nicht böse gemeint“, führe aber nicht selten zu einem Gefühl des Nichtdazugehörens, grenze Zuwanderer somit unbewusst aus. Das Buch von Berlins früherem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und dessen Äußerungen zum Intergrationswillen und zur Leistungsbereitschaft von Ausländern hätten „viel Porzellan zerschlagen“. „Natürlich gibt es auch Probleme, die benannt werden müssen“, räumte Weiss ein. Dies dürfe jedoch nicht dazu führen, dass Menschen allein wegen der Herkunft ihrer Großeltern in Schubladen gesteckt werden.
Die Nachfolge von Weiss ist indes noch nicht geregelt. Nach Beamtenrecht muss der Posten ein halbes Jahr freigehalten werden, in dem sie die Möglichkeit hat, zurückzukehren. Erst dann könne die Stelle ausgeschrieben werden, hieß es gestern aus dem Landessozialministerium. Wer die Aufgabe stellvertretend übernehme, sei noch nicht entschieden.
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