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Ludwigsfelde: Und der Bürgermeister schweigt

UPDATE. Heinrich Scholl, Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde, soll im vergangenen Dezember seine Ehefrau im Wald erdrosselt haben. Heute wurde der Prozess gegen ihn eröffnet. Bis das Urteil gesprochen wird, kann es noch sehr lange dauern.

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Potsdam/Ludwigsfelde - Er hat Ludwigsfelde viel Aufmerksamkeit beschert. Der ehemalige Bürgermeister ließ sich von Altkanzler Gerhard Schröder und Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (beide SPD) feiern. Seine Stadt, im Süden Berlins gelegen, war lange das Paradebeispiel für erfolgreichen Aufbau Ost. Doch so selbstbewusst wie früher tritt der SPD-Politiker Heinrich Scholl schon lange nicht mehr auf. Mit starrer Miene geht er am Donnerstag in den Gerichtssaal. Vor dem Potsdamer Landgericht ist er wegen Mordes an seiner Frau angeklagt.

Doch Heinrich Scholl schweigt. Auch Angaben über seine Person will er nicht machen, zunächst jedenfalls nicht, bis er sich angesichts der Situation vor Gericht „akklimatisiert hat“, wie seine Anwältin Sonja Sandkuhl sagt. Bei dieser Situation geht es für Scholl, 69 Jahre alt, um alles: Laut Staatsanwaltschaft soll er seine Ehefrau am 29. Dezember 2011 in einem Waldstück mit einer Schnürsenkel von hinten erdrosselt haben, ihr einen Plastikbeutel über den Kopf gezogen und diesen am Hals mit einer Hundeleine und einem Seil festgezurrt haben. Zudem soll er ihr zudem zweimal ins Gesicht geschlagen haben. Schließlich soll der 69-Jährige seine Frau teilweise entkleidet und im Unterholz mit Moos, Gras, Erde und Laub bedeckt haben. Auch den Hund, mit dem die Frau im Wald regelmäßig spazieren ging, soll Scholl mit einem Strick erdrosselt haben.

Die Leiche wurde zwei Tage später in einem beschaulichen Kiefernwald bei Ludwigsfelde gefunden. Der 69-Jährige selbst gab bei der Beerdigung den trauernden Witwer. Vier Tage später, an einem Mittwoch im Januar, fast genau vier Wochen nach dem Fund der Leiche, nahmen Polizisten Scholl fest. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

„Das war von Anfang an kein normaler Fall“, sagt ein Polizeibeamter am Donnerstag vor dem Landgericht. Bei ihm hatte Scholl am Abend des 29. Dezember 2011 seine Frau als vermisst gemeldet. Den Beamten aber machte das stutzig. „Dass jemand nach drei Stunden jemanden als vermisst meldet, erschien mir ungewöhnlich“, sagt er vor Gericht. Eigentlich habe es noch keinen Anhaltspunkt für einen Vermisstenfall gegeben. Erst sein Vorgesetzter brachte damals die Suchaktion nach der Frau in Gang. „Der Fall hatte eine gewisse Brisanz“, sagt dieser Vorgesetzte vor Gericht. „Einige Menschen sind gleich, andere gleicher. Herr Scholl ist bekannt aus dem politische Leben.“

Der Ex-Bürgermeister verzieht die ganze Zeit kaum eine Miene. Im grauen Anzug und schwarzen Hemd macht er sich ab und an Notizen in seinem eigenen Ordner, er sitzt zwischen seinen Verteidigern. Neben Sonja Sandkuhl ist das der Berliner Strafverteidiger Stephan König. Beide hatten auch den Hotelier Axel Hilpert verteidigt, der im Juni wegen Millionenbetrugs beim Bau seines Luxusressorts verurteilt worden war. Sandkuhl sagt: „Die bislang vorgelegten Indizien bilden keine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung.“ Tatsächlich hat sich die Schwurgerichtskammer auf einen umfangreichen Indizienprozess eingestellt. 29 Verhandlungstage sind eingeplant, mehr als 70 Zeugen aus dem Umfeld des Ehepaares, der Polizei und Nachbarschaft geladen. Nach dem bisherigen Terminplan könnte am 28. Februar 2013 das Urteil fallen.

Für die Tat gibt es keine Zeugen. Also stützt sich die Staatsanwaltschaft darauf, dass Scholls Handy im Bereich des Tatorts geortet wurde und auf DNA-Spuren. Das Motiv sollen Eheprobleme und finanzielle Not sein. Es gibt einen Bericht, wonach Scholl erzählt haben soll, dass seine Frau ihm alles verbiete und ihn demütige. Die Trauer um die Frau, aber auch die Vermisstenanzeige, die Termine Scholls am Tattag und eine von ihm ungefragt vorgelegte Restaurantquittung als Beweis sind für die Ermittler Teil eines durchdachten Plans eines Mannes, der nach 18 Jahren als Bürgermeister plötzlich jeden Halt verloren haben soll. Von 1990 bis 2008 war er im Amt und feierte Erfolge: Die Kristall-Therme ist Europas größtes Hallen-FKK-Bad. Namhafte Unternehmen ließen sich nieder, Daimler-Benz und der Triebwerkshersteller MTU. 2008 zog er nach Zehlendorf, verliebte sich in eine Thailänderin, eine Prostituierte, überschüttete sie mit Geschenken. Alles vergebens. Und Brigitte Scholl wusste davon. Im Dezember 2011kehrte er zu ihr zurück. Am 28. Dezember feierten sie ihren 47. Hochzeitstag. Tags darauf war Brigitte Scholl tot.

Das Gericht interessiert sich jetzt auch besonders für das Verhältnis der beiden. Scholl hatte unter einem Pseudonym ein Buch mit erotischen Fantasien geschrieben. Matthias Scholl, der 48-Jährige Sohn, muss das alles mit anhören. Er tritt als Nebenkläger auf. „Er möchte sich ein eigenes Bild machen“, sagte sein Anwalt Sven Rasehorn. Der Sohn ist mehrfach aus Nordrhein-Westfalen angereist, um seinen Vater in der Untersuchungshaft zu besuchen. Im Gerichtssaal grüßen sie sich nicht, direktem Augenkontakt weichen sie aus. Am Dienstag soll Matthias Scholl als Zeuge aussagen.

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