Brandenburg: Universität Potsdam schockiert über Stasi-Spitzel
Potsdam - Nach den PNN-Recherchen zur fristlosen Entlassung des Rechtsmediziners Jürgen B. wegen seiner Stasi-Vergangenheit hat sich nun auch die Universität Potsdam erklärt.
Stand:
Potsdam - Nach den PNN-Recherchen zur fristlosen Entlassung des Rechtsmediziners Jürgen B. wegen seiner Stasi-Vergangenheit hat sich nun auch die Universität Potsdam erklärt. An der Hochschule sollte der bislang als Vize-Direktor am Landesinstitut für Rechtsmedizin tätige 58-Jährige ursprünglich ab November eine Vorlesung zur Rechtsmedizin halten. Es sollte der „Auftakt für die künftige gemeinsame Zusammenarbeit zwischen dem Landesinstitut und der Juristischen Fakultät“ sein, wie der Dekan der Fakultät, Götz Schulze, den PNN sagte. Dann aber musste die Universität die Vorlesung Mitte Oktober absagen – und nannte keine Begründung. Offenbar weil die Hochschule die Gründe der Suspendierung selbst nicht kannte. Die Ankündigung der Eröffnungsvorlesung und eine entsprechende Pressemitteilung „konnten gerade noch rechtzeitig gestoppt werden“, sagte Dekan Schulze.
„Aus dem Landesinstitut für Rechtsmedizin hieß es, Herr B. sei suspendiert, man wollte aber nicht sagen, warum genau“, berichtete Schulze. Weitere Informationen habe das Institut aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes nicht mitgeteilt. Auch die Universität habe erst in dieser Woche durch den PNN-Bericht von den Details erfahren. B. hatte nach einer ersten Lüge im Jahr 1991 abermals seine Stasi-Vergangenheit verschwiegen und wurde daraufhin vom Sozialministerium fristlos gekündigt. „Wir sind schockiert“, sagte Schulze. Zuvor hatten Studenten die Informationspolitik der Hochschule in Bezug auf die Absage der Vorlesung kritisiert. „Schön wie so offen und kritisch von der Uni Stellung genommen wird“, hatte einer der Studenten beklagt.
Nun bemüht sich die Hochschule darum, dass zu einem späteren Zeitpunkt doch noch eine Vorlesung in der Rechtsmedizin stattfinden kann. Die Entscheidung darüber, wer der neue Dozent wird habe die Juristische Fakultät aber auf das kommende Jahr verschoben, „wenn sich die Verhältnisse geklärt haben“.
Wie berichtet hatte das von Diana Golze (Linke) geführte Sozialministerium den bisherigen Vize-Chef des Landesinstituts im Oktober wegen wiederholt verschwiegener Stasi-Mitarbeit fristlos entlassen. Jürgen B. sollte zum 1. November Direktor des Landesinstituts werden. Allerdings habe er wie 1991 bei einem Personalgespräch im Oktober erneut seine Tätigkeit als „Inoffizieller Mitarbeiter“ für die Staatssicherheit verschwiegen. Durch eine Abfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde stieß das Ministerium auf seine frühere Spitzelei für die Staatssicherheit. Hätte sich Jürgen B. nicht beworben, um Direktor des Landesinstituts zu werden, wäre seine frühere Stasi-Tätigkeit nie aufgeflogen. Jahrzehntelang wurde wegen der nachsichtigen Prüfpraxis in Brandenburg nicht bemerkt, dass er schon 1991 seinen Dienstherrn über seine Vergangenheit täuschte.
Der Verein „Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg“ bemängelte wie schon der Menschenrechtsbeauftragte der CDU-Landtagsfraktion, Dieter Dombrowski, dass es in Brandenburg keine Regelabfrage auf Stasi-Mitarbeit gibt. Tatsächlich gibt es erst seit 2012 nur einen Stasi-Check bei Neubesetzung von Chefposten in Landesbehörden. Der Fall Jürgen B. bestätige die Forderung nach einer erweiterten Regelanfrage im Landesdienst. Dies sei nötig, um das „Grundvertrauen in den öffentlichen Dienst des Landes nicht weiter zu beschädigen“, sagte Forumsvorstand Manfred Kruczek.
B., 58 Jahre alt, war in der DDR im Zentralen Militärkrankenhaus der NVA in Bad Saarow (Oder-Spree) tätig und bespitzelte Kollegen. B. klagt gegen seine Kündigung. A. Fröhlich, René Garzke
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: