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Ideologisch fest. Das Cover des 2005 erschienen Albums „Alte Kraft soll neu entstehen“.

© PNN

Brandenburg: Unter dem Radar

Ein Neonazi aus Brandenburg konnte in Bayern Richter werden – dabei waren die Behörden gewarnt

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Potsdam - Der Verfassungsschutzabteilung im brandenburgischen Innenministerium lässt sich in diesem Fall kein Vorwurf machen – anders als der Behörde im Freistaat Bayern. Maik B. steht seit Jahren wegen seiner Umtriebe in der Neonazi-Szene im Visier der Sicherheitsbehörden in Brandenburg. Dennoch konnte er in Bayern Familienrichter auf Probe werden – obwohl der Verfassungsschutz dort umfassend informiert war.

Und die Erkenntnisse sind umfangreich. Demnach war Maik B., 29 Jahre, einer der schlauen Köpfe in der Brandenburger Neonazi-Szene, ideologischer gefestigt und stramm nationalsozialistisch. Ursprünglich stammt er aus Cottbus, machte sein Abitur mit Bestnoten, zog dann nach Teltow (Potsdam-Mittelmark) und studierte Jura in Berlin – sein Abschluss wieder mit besten Noten. Dem Verfassungsschutz fiel Maik B. vor allem mit Neonazi-Musik und als Hintermann des 2012 verbotenen Netzwerks „Widerstand Südbrandenburg“ auf, das auch als „Spreelichter“ bekannt wurde. „Er ist den Sicherheitsbehörden des Landes Brandenburg langjährig als aktiver Rechtsextremist bekannt“, sagte der Sprecher des Innenministeriums Ingo Decker. B. verfüge „über weitreichende Kontakte in die nationale und internationale rechtsextremistische Szene“.

B. war in verschiedenen rechtsextremistischen Musikgruppen aktiv. Das in der extrem rechten Szene bekannteste Projekt ist „Hassgesang“, B. ist sein Sänger. Der frühere Mitarbeiter der Brandenburger Verfassungsschutzabteilung und heutige Chef der Behörde in Sachsen, Gordian Meyer-Plath, sagte 2011 über die Band, Hassgesang sei „eher ein Projekt eines einzelnen Rechtsextremisten aus Brandenburg, der im Studio die Dinge meistens alleine einspielt und wenn er live auftritt sich dann entsprechend Bands, Musiker sucht. Hassgesang ist eine sehr bekannte Formation.“

Das Bandprojekt des Teltowers wurde erstmals im Jahr 2003 im Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg erwähnt und seither in aller Regelmäßigkeit wieder. Gegründet wurde die Band im Jahr 2000. Die ersten Hassgesang-Alben von B. erschienen in Schweden und auf einem Neonazi-Label in den USA, beide landeten in Deutschland auf dem Index. Das Amtsgericht Cottbus verurteilte B. 2004 zu einer Geldstrafe für das 2003 veröffentliche Album „Bis zum letzten Tropfen“. Nach Ansicht des Gerichts sind die Texte volksverhetzend und rufen zu Straftaten auf.

Tatsächlich bekennt sich die Band, also B. selbst, in den Texten offen zum Nationalsozialismus, sie sind antisemitisch und rassistisch. In einem der ersten Songs heißt es: „Adolf Hitler, im Kampf für unser Land. Adolf Hitler, sein Werk verteufelt und verkannt. Adolf Hitler, du machtest es uns vor. Adolf Hitler, Sieg Heil tönt es zu dir empor.“ In dem Song „Israel“ heißt es: „Es ist bekannt in aller Welt, dass der Jude nicht viel von Arbeit hält. Lieber nimmt er die Entschädigungsmoneten, zum Bau von Atomraketen.“ Und: „Das tapfere Volk von Palästina sollte man verehren, weil sie allein sich auf der Welt noch gegen die Juden wehren.“ Und: „Heilig sei allen Völkern Befehl, Atomraketen auf Israel.“

Obendrein hatte der gebürtige Cottbuser engste Kontakte zur Neonazi-Szene in der Lausitz. Meyer-Plath sagte schon 2011, dass Hassgesang „so etwas wie der verlängerte musikalische Arm der Neonazi-Szene in Südbrandenburg, insbesondere des Portals Spreelichter“ sei. Als „Spreelichter“ trat das braune Netzwerk „Widerstand Südbrandenburg“ auf.

Im Zuge ihres Verbots 2012 wegen „Wesensverwandtschaft zum Nationalsozialismus“ und des „aggressiv-kämpferischen Vorgehens gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung“ war auch die Wohnung des Teltowers durchsucht worden. B. persönlich hatten die Ermittler die Verbotsverfügung des Innenministeriums in die Hand gedrückt. B., der geschulte Jurist, wollte die Razzia für unrechtmäßig erklären und klagte gegen die vereinsrechtliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, weil er nicht Mitglied sei oder eine andere Rolle in dem Verein spiele. Doch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) stellte fest, dass B. sogar ein Hintermann des Neonazi-Netzwerks war. Noch 2014 erschien ein Sampler mit einem Song von Hassgesang bei dem rechtsextremistischen Label „Rebel Records“ in Cottbus.

Doch in Bayern interessierte das alles offenbar zunächst niemanden. Im Herbst 2013 zog er nach Bayern, ins oberfränkische Lichtenfels, 20 000 Einwohner. Das „Obermain-Tagblatt“ meldete vor einem Jahr unter dem Titel „Neuer Richter fürs Amtsgericht“: „Von Maik B. könnte man sagen, er wurde sehnsüchtig erwartet, denn das Amtsgericht Lichtenfels war die vergangenen Monate unterbesetzt.“ Und dass Berufsanfänger B. von einer Universität in Berlin komme und sein Amt als Zivilrichter antrete.

Schließlich informierte der Brandenburger Verfassungsschutz die Kollegen in Bayern im Februar über den nach Lichtenfels gezogenen Neonazi. Dem Verfassungsschutz im Freistaat liegt seither eine umfassende Erkenntnismitteilung vor – geschehen ist jedoch nichts. Publik wurde die Vita des Neonazis durch die Presse, der „Nordbayerische Kurier“ griff den Fall auf.

Aus dem überrumpelten bayerischen Justizministerium hieß es, der Mann werde nun auf eine mögliche rechtsextreme Vergangenheit hin überprüft. Auch der Verfassungsschutz sei eingeschaltet worden – der war aber längst informiert. Der Freistatt will nun „unverzüglich die rechtlich möglichen Konsequenzen“ ziehen, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Das Justizministerium verwies darauf, dass Bewerber zwar überprüft werden, ob sie „jederzeit zur freiheitlich-demokratische Grundordnung“ stehen und ob sie einschlägig strafrechtlich aufgefallen sind. Eine Regelabfrage – wie sie früher möglich – erfolge jedoch nur bei Zweifeln an der Verfassungstreue. Die gab es offenbar nicht. Warum aber der Verfassungsschutz in Bayern nicht von selbst aktiv wurde, dass erklärten die Behörden nicht.

nbsp;Alexander Fröhlich

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