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Von Alexander Fröhlich: Unter Druck geratene Rocker schließen Frieden Verfeindete Motorradclubs vereinbaren einen Waffenstillstand – doch die Ruhe trügt

Potsdam – Kriminelle Rockerclubs in Berlin und Brandenburg geraten stärker unter Druck. Nun reagieren die beiden rivalisierenden Motorradclubs (MC) „Bandidos“ und Hells Angels“ mit einem Waffenstillstand auf das konsequente Einschreiten der Polizei, wie es aus Ermittlerkreisen heißt.

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Potsdam – Kriminelle Rockerclubs in Berlin und Brandenburg geraten stärker unter Druck. Nun reagieren die beiden rivalisierenden Motorradclubs (MC) „Bandidos“ und Hells Angels“ mit einem Waffenstillstand auf das konsequente Einschreiten der Polizei, wie es aus Ermittlerkreisen heißt. Bereits im Herbst 2008 sollen bundesweit führende Mitglieder beider MCs Friedensgespräche begonnen haben. Diese sollen im Vergleich zu früheren Verhandlungen so weit gediehen sein, wie nie zuvor. Ermittler bestätigen damit einen entsprechenden Bericht der PNN von Mitte Januar, als noch von „ernsthaften Bestrebungen“ die Rede war.

Besonders in der Hauptstadtregion tobten seit 2006 Auseinandersetzungen mit Messerangriffen und Schusswechseln zwischen den rivalisierenden „Outlaw Motorcycle Gangs“ – so der Fachjargon. Die MCs tragen eine Fehde um Gebietsansprüche und die Vorherrschaft in der Türsteherszene und im Drogenmilieu aus. Auch Waffenhandel, Schutzgelderpressung und Zuhälterei gelten als Einnahmequellen. Den Waffenstillstand führt die Polizei auf den erhöhten Verfolgungsdruck und vermehrte Festnahmen zurück. „Das hat zu einer Beeinträchtigung der legalen und kriminellen Aktivitäten geführt. Das kann nicht im Interesse dieser Rockerclubs sein“, sagt Toralf Reinhardt, Sprecher des Brandenburger LKA. Ermittler in Berlin bestätigen, die MCs wollten nicht ständig im Focus der Polizei stehen. Allerdings traut die Polizei dem Frieden nicht, schließlich gingen die Verteilungskämpfe im Stillen weiter, heißt es. Zudem sei die Zahl der Mitglieder beider Clubs von wenigen hundert auf nun tausend in der Region gestiegen. Zunehmend würden gewaltbereite Türken und Araber aufgenommen.

In Brandenburg gilt Cottbus immer noch als umkämpft. In Potsdam hatten die „Hells Angels“ im Dezember 2008 ein Charter gegründet, Treffpunkt ist ein Tattoostudio. „Dies könnte in der Phase der „Friedensgespräche möglicherweise problematisch werden“, so Behördensprecher Reinhardt. Für die „Hells Angels“ sei das zweite Charter neben Cottbus offenbar überfällig gewesen, weil die „Bandidos“ vier Niederlassungen in Brandenburg unterhielten.

Mit der Gewalt im Rockermilieu ist trotz Waffenstillstand nicht Schluss. Erst im Januar hatten Mitglieder des „Gremium MC“ aus Potsdam ein Fest in Seddin (Potsdam-Mittelmark) überfallen – aus Furcht ein neuer Rockerclub könnte sich gründen. Unter den elf Verletzten waren Mitglieder einer Gruppe aus Schweden und eines aufgelösten örtlichen Clubs. Zwischen „Hells Angels“ und „Bandidos“blieb es aber seit Beginn der Friedensgespräche ruhig. Zuvor war die Gewalt bis zum Sommer vergangenen Jahres eskaliert. In Cottbus hatte im Februar ein Mitglied der „Hells Angels“ einen „Bandido“ mit einem Schuss lebensgefährlich verletzt. In Berlin werden regelmäßig bei Razzien Waffen gefunden, Angriffe mit Macheten und Baseballschlägern wurden bekannt. In Hennigsdorf (Oberhavel) schoss im Juli ein Mitglied der „Red Devils“, sie sind Unterstützer der „Hells Angels“, auf einen Wagen, in dem ehemalige Mitglieder der „Bandidos“ saßen. Ihm wird derzeit vor dem Landgericht Neuruppin der Prozess gemacht. Die massive Polizeipräsenz dabei zeigt, wie trügerisch der Waffenstillstand zwischen den Rockern ist. Zum Auftakt Anfang Dezember hatten Beamte bei Mitgliedern der MCs Waffen gefunden.

Dem Hauptangeklagten Bernd K. (36) wird versuchter Totschlag vorgeworfen. Ein suspendierter Polizist aus Berlin erlitt einen Streifschuss. Gegen ihn wiederum ergingen bereits zwei noch nicht rechtskräftige Urteile wegen Geheimnisverrats an einen befreundeten Clubchef. Der Anwalt von K. spricht von Notwehr, ein Gutachter schloss gestern eine Affekthandlung aber aus. Wegen zahlreicher Anträge des Verteidigers wird der Prozess am 2. März fortgesetzt. K. wurde gestern auf Antrag seines Anwalts aus der Untersuchungshaft entlassen.

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