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Von Sebastian Leber: Unter falscher Flagge

Stefan Raabs Song Contest findet im Herbst in Berlin statt. Noch nie waren so viele Teilnehmer aus Berlin dabei. Doch nur einer darf für sein Land antreten

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Berlin - Sein Lied ist ein ruhiges. Sehr melodiös, aber auch sehr langsam. Matthias Schrei weiß, dass er dafür einen spektakulären Auftritt hinlegen muss, um den Leuten im Gedächtnis zu bleiben angesichts dieser Konkurrenz. Ein „deutsches Nippel-Gate“ hat Schrei deshalb bereits angekündigt. Und sein Künstlername klingt auch nicht schlecht: „Blockflöte des Todes“.

Am 1. Oktober findet der diesjährige „Bundesvision Song Contest“ statt, Stefan Raabs Grand Prix der Bundesländer. Traditionell wird der Wettbewerb in der Heimat des Vorjahressiegers ausgetragen, und weil 2009 Peter Fox gewann, lädt Raab diesmal in die Berliner Max-Schmeling-Halle ein. Der Vorverkauf hat bereits begonnen, wer hin will, muss sich beeilen, die Karten werden schnell ausverkauft sein.

Auch die Teilnehmer stehen schon fest, und die Chancen sind groß, dass am Ende ein Berliner ganz oben steht. Gleich sechs Künstler und Gruppen aus der Hauptstadt sind diesmal dabei. Weil jedes Bundesland aber nur einen Musiker ins Rennen schicken darf – in diesem Jahr ist es Ich & Ich für Berlin–, treten die anderen unter falscher Flagge an: Anna Loos, die eigentlich in Berlin-Steglitz lebt, steht mit ihrer Band Silly für Sachsen-Anhalt auf der Bühne, Sängerin Oceana für Hessen und Matthias Schrei als „Blockflöte des Todes“ für Sachsen. Schließlich hat er die ersten sechs Jahre seines Lebens in Chemnitz verbracht, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß. Für Brandenburg tritt der Sänger „Das gezeichnete Ich“ an, der seine bürgerliche Identität zwar nicht preisgeben will, sich selbst aber gerne als „Berliner Bohemian“ beschreibt.

Nein, er ist nicht neidisch, dass die bekannte Popgruppe Ich & Ich seine Stadt vertreten dürfe, sagt Matthias Schrei. Dabei war sein eigener Song eigentlich als explizite Berlin-Hymne gedacht: „Alles wird teurer“ heißt das Lied und handelt davon, dass heute alles aus fairem Handel komme und damit mehr koste, selbst die Drogen.

Für das Saarland startet die Band Mikroboy, deren Sänger Michael Ludes zwar ebenfalls Berliner ist und seit Jahren in Friedrichshain lebt, aber immerhin einen Teil seiner Jugend im saarländischen Neunkirchen verbracht hat. Denkt der heute 29-Jährige daran zurück, fällt ihm ein: „Industriestadt, wenig los, kleine Musikszene.“ Wenn man ehrlich sei, habe Neunkirchen nicht viel zu bieten. Und wenn man unehrlich sei? „Die alte Bergbauromantik mit den geschlossenen Hochöfen. Und die kurzen Wege.“

Die Verpflichtung von Mikroboy gilt schon als echter Fortschritt. Das kleine Saarland hat traditionell Probleme, einen Künstler aufzutun, der zumindest annähernd einen regionalen Bezug vorweisen kann. In einem Jahr trat die Kölner Band Klee mit der Begründung an, Sängerin Susi habe einst mit einer gebürtigen Saarbrückerin in einer WG zusammengelebt. Im Rheinland wohlgemerkt.

Peter Fox steht auch wieder auf der Bühne, allerdings außer Konkurrenz. Er wird singen, während die Zuschauer über den Sieger abstimmen. Zu mehr hätte er sowieso keine Zeit, Peter Fox arbeitet gerade mit seiner Band Seeed an einem neuen Album. Ob auch Lena, die Gewinnerin des richtigen Grand-Prixs, in irgendeiner Form in der Max-Schmeling-Halle zu sehen sein wird, ist noch unklar. Vor kurzem hatte sie erst in einem Interview gesagt, dass sie 2011 gerne ihren eigenen Titel in Berlin verteidigen würde.

Vor drei Jahren fand der Wettbewerb schon einmal in der Hauptstadt statt, damals im Tempodrom. Einen kleinen Skandal gab es, als die Fans der Berliner Band Mia der niedersächsischen Krachtruppe Oomph! aus Hannover den Sieg nicht gönnten und die Schlussfeier durch konsequentes Buhrufen sabotierten.

Wer dieses Jahr von den Zuschauern per Telefonabstimmung auf den ersten Platz gewählt wird, lässt sich schwer abschätzen, sagt Matthias Schrei. „Vielleicht machen es Selig aus Hamburg, vielleicht ab er auch Unheilig aus Nordrhein-Westfalen.“ Nein, er selbst zählt sich nicht zu den Favoriten, aber lustig werde es auf jeden Fall. Außerdem sei das Catering hinter der Bühne sehr gut, das hat ihm sein Musikerkumpel Sven van Thom geraten. Auch ein Berliner. Der ist letztes Jahr für Brandenburg angetreten.

Es gibt noch Karten in der Preisklasse zwischen 36 und 50 Euro.

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