STREITHÄHNE: Unter Feinden
Ab heute stehen die Rapper des Labels „Hirntot“ vor Gericht. Der Vorwurf: Volksverhetzung – und das Bedrohen einer Politikerin
Stand:
„Das ist meine AK. Schau ihr in den Lauf. Kugelhagel in dein Kopf. Junge, du gehst drauf.“ Man kann den Rappern des Berliner Labels „Hirntot“ vielleicht zugute halten, dass sie sich um echte Reime bemühen und manchmal sogar das Versmaß einhalten. Aber die Inhalte ihrer Texte gelten – sogar in Berlins berüchtigter Rapszene – als brutal.
Vielleicht zu brutal, denn ab heute müssen sich die drei Rapper Blokkmonsta, Uzi und Schwartz vor dem Amtgericht Tiergarten verantworten. Unter anderem wegen ihrer CDs „1. Mai Steinschlag“ und „Meine AK 47“, mit denen die Musiker aus Sicht der Ermittler gleich eine ganze Reihe von Straftatbeständen erfüllt haben: Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, öffentliches Androhen von Straftaten, Bedrohung, Beleidigung. Bis zu fünf Jahre Haft drohen.
Die CDs sind schon drei Jahre alt. In einem der Songs hätten die Rapper „brutal, grausam und detailliert“ die Ermordung von Polizisten beschrieben, heißt es in der Anklageschrift. In einem anderen hätten sie darüber gerappt, wie die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) anzündet werde. Außerdem hätten sie die SPD-Bundestagsabgeordnete Monika Griefahn in einem Video beschimpft und mit dem Tode bedroht.
Von Rappern angepöbelt zu werden, ist für Griefahn nichts neues. Die 53-Jährige ist Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien und hat in der Vergangenheit schon öfters die Texte von Gangsta-Rappern als pornographisch, gewaltverherrlichend und rassistisch bezeichnet. Dazu forderte Griefahn Radiostationen und Musiksender auf, ihrer Kontrollpflicht besser nachzukommen – also Lieder mit brutalen Texten aus dem Programm zu nehmen.
Das wiederum nahmen die Gangsta-Rapper persönlich. Einige sogar als Kriegserklärung. Immer wieder wird Griefahn seither in Songs beschimpft. Besonders groß ist die Abneigung von Seiten des Berliner Rapper, die gelten in der Szene als besonders hart und provokationsfreudig. Sido, der als Maskenmann bekannt wurde und eigentlich Paul Würdig heißt, antwortete Griefahn mit einem ironischen Song und bezeichnete Deutschlands Politiker darin als „Witz“. Immerhin setzte er sich später mit Griefahn zu einem Streitgespräch zusammen – und versuchte der SPD-Frau zu erklären, wie er seine Songs schreibe: „Ich sauge mir meine Texte und meine Sprache ja nicht aus den Fingern. Ich erzähl“ nur das, was ich aus dem Märkischen Viertel kenne“. Das fand Griefahn aber nicht überzeugend. Ganz diplomatisch verhielt sich ausgerechnet Deutschlands erfolgreichster Rapper Bushido, der sonst selten eine Gelegenheit zum Beleidigen auslässt. In seinem Song „Endgegner“ rappt er bloß: „Monika Griefahn steht nicht auf meinen Humor.“
Die jetzt angeklagten Rapper von Hirntot wollen sich erst nach dem Prozess zu dem Fall äußern. Aber klar ist: Für sie sind die Gewalttexte eine Form von Kunst. Und von einem Mord zu singen heißt noch lange nicht, ihn wirklich auszuführen.
Ihre Liebe zu Waffen spielt sich allerdings nicht nur in der Fantasie ab: Als im Juli 2007 ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Wohnungen der drei Rapper durchsuchte, stellten die Beamten ein Maschinengewehr AK 47 mit Magazin, aber verschlossenem Lauf, sicher, dazu eine Pistole und mehr als 200 Gewehrpatronen im Patronengürtel. Die Angeklagten, die bürgerlich Björn D., Tomasz M. und Raphael B. heißen, sind zwischen 22 und 26 Jahre alt und im Alltag Computerspezialist, Schüler und Student. Zwei der jungen Männer leben den Angaben zufolge in Berlin, einer in Düsseldorf. Es ist für Berlin der erste Strafprozess gegen Rapper, die detailgenau Folter und Mord beschrieben haben. Nicht nur die Szene der Hip-Hopper wird gespannt sein. Möglicherweise kommt es bereits am Nachmittag zu einem Urteil.
SPD-Politikerin Monika Griefahn rief zum Boykott brutaler Rapsongs auf – das machte sie zur Zielscheibe der Szene.
Auch Maskenmann Sido machte sich über die Abgeordnete lustig, erklärte sich aber zum Streitgespräch bereit.
Rapper Bushido verzichtete ausnahmesweise auf Schimpfwörter und attestierte Griefahn einen „eigenen Humor“.
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